Gisela Munz-Schmidt

Lyrik vom Bodensee

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Gedichte vom Bodensee:Insel Mainau

Frühling auf der Mainau
Aquarell von Sibylle Buderath
Mainau

Bäume,  mächtig,
alt und stark,
Blumen, prächtig
im weiten Park,
Beete von Blüten,
von blauen und roten,
Exoten
wie Boten,
barocke Räume,
Tulpen, Dahlien, Rosenträume,
Brunnen, die sich am Wege ergießen,
bunte Pflanzen an Hängen, in Wiesen,
Gewächse, welche gedeihen und sprießen,
Farben, die ineinanderfließen:
Kommen. Bleiben. Genießen.

Gisela Munz- Schmidt
Aus: Wege zum See


Sommertag auf der Mainau
Aquarell von Sibylle Buderath
The Island of Mainau

An island that holds
very special treasures,
full of blooms and of butterflies,
full of wonders and pleasures.

The tulips in spring,
in summer the roses,
beautiful dahlias late in fall.

The charms of nature this island exposes.
Full of trees and fine flowers,
and I do love them all.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance

An die Insel Mainau habe ich viele persönliche Erinnerungen – an Besuche allein, mit Familie oder mit Freundinnen und Freunden.

In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder ein, wie sich Sibylle Buderath und ich auf unser Buch „Rosen am Weg“ vorbereiteten. Sibylle wollte ihre Rosenaquarelle „en plein air“ malen, wurde aber immer wieder von neugierigen Menschen gestört, die ihr über die Schulter blicken wollten. So zogen wir zu zweit los, sie verschwand hinter die Rosenbüsche mit ihrer Staffelei, fand Motive zum Malen, und ich stand vorne als Wächterin am Weg und ließ mich durch Beobachtungen und Einsaugen der rosealen Atmosphäre inspirieren, konnte so die Leute ablenken, und wenn Sibylle fertig war, gingen wir zusammen ins Café  und schauten und besprachen, welche Bilder und welche Texte zusammenpassen könnten.

Hier drei Beispiele aus unserem Lyrikbildband ROSEN AM WEG:

Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz- Schmidt

Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz-Schmidt
Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz- Schmidt

Auf der Insel Mainau wird nicht nur der Schönheit und Vielfalt der Pflanzen gehuldigt, sondern durch naturnahe Areale und informative Anlagen wird auch das ökologische Bewusstsein geschärft.

Besonders der Insektenschutz verdient Beachtung! Im Schmetterlingshaus und in Insektenhotels versammeln sich zahlreiche Vertreter der Insektenfamilien.

Für den NABU Überlingen habe ich 2018 eine Art Pamphlet verfasst,

nachdem ich auf den Hortus Insectorum und das Netzwerk von Markus Gastl aufmerksam gemacht wurde.

Weil die Mainau sich auch dem Insektenschutz verschrieben hat, stelle ich es hier ein, ohne Anspruch auf literarische Qualität!

Die Inhalte der Paarreime sind allerdings unbestritten.

DAS INSEKT
Das Insekt

Vor 400 Millionen Jahren, so wurde entdeckt,
lebte bereits das erste Insekt.

Und jetzt müssen wir leider, ohne Fragen,
seinen gewaltigen Rückgang beklagen.

Früher klebte es an Fensterscheiben,
da brauchen wir es längst nicht mehr abzureiben.

Möglicherweise haben
wir es unter Asphalt begraben?

Oder es hat einfach zu viel Glyphosat, Phosphat, Nitrat geschluckt
und das Zeug einfach nicht ausgespuckt?

Mit Blümchen und Bienchen ist es auch nicht weit her,
Monokulturen sind artenleer.

Auch die Gärten mit Schotter, Granit und Kies
sind für das Insekt kein Paradies.

Selbst der fliegende Luftverkehr
macht dem Insekt das Leben schwer.

Zwischen Hochhäusern findet sich auch nicht schnell
ein angemessenes Insektenhotel.

Nicht mal auf dem Balkon den Zwetschgenkuchen
will so ein Insekt noch einmal versuchen.

Kein Tier tanzt dir, summ summ, brumm brumm,
auf deiner Menschennase herum.

Die Leute müssen sich nun wohl bequemen,
Bestäubung mit Pinseln selbst vorzunehmen.

Und die Insektenfresser, fast hätt ich´ s vergessen,
müssen nun halt jetzt was anderes fressen.

Das Insekt, verachtet und verhasst,
hat sich eben nicht angepasst!

Ach Gott, was wird meine Liste lang,
allmählich wird mir um das Insekt doch bang.

Es dämmert mir langsam, und mir wird klar,
das Insekt ist in großer Lebensgefahr.

Und also zitiere ich Einstein hier:
Erst stirbt das Insekt. Dann sterben wir.

Gisela Munz-Schmidt

Hoffnung auf Frieden

Ölgemälde von Rudolf Munz
1920 in Graz geboren,
2008 in Baden- Baden gestorben
Gedanken auf der Rheinbrücke nach Straßburg

En avant, vorwärts,
dein Großvater, mein Vater,
sie marschierten, Gleichschritt Marsch,
Bajonette gezückt, Panzer.
Über dem Rhein war der Feind.
Der Feind?

Ich kann es mir Gottseidank nicht mehr vorstellen.
Ich fahre über die Rheinbrücke.
Nur Vorfreude!
Auf die schöne Stadt.
Die strahlende Gotik.
Die elegante Sprache.
( Und auch meine Sprache ist schön,
auch meine Gotik stolz,
ich liebe auch meine Städte.)

Unser Rhein.
Eine unserer Lebensadern.

Einmal möchte ich mitten auf der Rheinbrücke anhalten und aussteigen.
Warten, bis alle Insassen der anderen Fahrzeuge auch mit mir am Geländer stehen,
Franzosen, Deutsche, Reisende aus aller Herren und Frauen Länder.
Mit ihnen gemeinsam glücklich den Flusslauf sehen,
erkennen und jubeln:
Weggeschwemmt endlich alles Blut!
Hier fließt lebendiges Wasser
durch Europa.

Gisela Munz- Schmidt
 
Kind der Erde

Meine Arme spann ich von der Taiga
bis an Frankreichs schöne Küste.
Meine Wurzeln treiben
unter all den vielen Inseln,
und am großen Himalaja
bette ich mein Haupt.

Afrika ist meine Wiege,
in die Anden komme ich am Abend,
und im weiten Reich der Mitte
liegt mein Kunstverstand.
Dort am Kap siehst du mich tanzen,
hörst mein Lachen tief in Georgia
und in Sydney gib mir deine Hand.

Ich bin ein Kind der großen Mutter Erde,
und alle ihre Kontinente sind mir gleich vertraut.

Und rot und schwarz und gelb und weiß und braun
ist meine Haut.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Gedichte gegen Gewalt

Children of the Earth

From the boreal Taiga to the rivers of France,

from Australia’ s reefs to the African dance,

from Asian heights to America’s plains,

from British gardens  to Caribbean canes,

from Egyptian Art to India’ s wonder,

from high Andean Mountains  to the oceans down under,

from the snows of a mighty Swiss mountain slope

to  the southern waters of the Cape of Good Hope,

from China’s Great Walls

to Victoria Falls –

We are living here, regardless of birth,

we all live as children of a wonderful Earth,

we all are humans, the next of kin,

with red, black, white, brown, yellow of skin.

Gisela Munz- Schmidt

Schlange und Taube

Mein Gefühl sandte ich aus 
wie eine Schlange,
die den Grund erspürt
gleitend
und meine Gedanken
wie eine Taube,
der am Himmel nichts entgeht,

und rief sie beide zurück:
„Was habt ihr erfahren, gesehen?“

“Gewalt und Grausamkeit und Blutgericht“,
die Schlange spricht.

Die Taube sagte:“Nein. Das sah ich nicht.
Bei Tag und in der Nacht sah ich ein großes Licht.“

Gisela Munz-Schmidt 
Aus: Gedichte gegen Gewalt




Rudolf Munz Friedenstaube ( Ausschnitt)
Die Taube

Und wieder steigst du auf
wie eine weiße Fahne
aus Meeren dunklen Bluts zerstückter Leiber
und schwebst.

Wie lange dieses Mal?

Doch eine wichtige Weile als ein Zeichen:

So könnte es,
wenn wir nur alle wollten,
für immer sein.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Gedichte gegen Gewalt

Schmetterlinge / Butterflies

Apollofalter
Parnassius Apollo
aus der Familie der Ritterfalter
Apollofalter

Und schwarz und weiß und rot.
Und einst ein Gott
und stolzer Ritter
zogst du mit hellen Scharen.

Und schwarz und weiß und rot.
Der Tod 
ist bitter,
und Rittern wie dir 
klingen keine Fanfaren,
und nirgends steht für dich ein Stein.

Ritter wie du
sterben still
und wie Götter
allein.

Gisela Munz-Schmidt


Parnassius Apollo

An ancient God
in marble-white divine.

A famous knight
in red-spread splendid shine.

And black plague-spots
of poisonous a time.

White, Red and Black -
the colours on your shrine.

Gisela Munz- Schmidt

Kleine Büste des großen Apollo in unserem Regal
Verluste 

Doch was verlieren wir,
wenn keine Falter mehr schweben?
Wir überleben.

Und was verlieren wir,
wenn keine Schwalben mehr gleiten?
Es kommen neue Zeiten.

Aber den Boden unter den Füßen verlieren wir,
wenn wir Hand an unsere Wurzeln legen!

Was wird dann geschehen?
Wir werden verarmen.
Und wir vergehen.

Gisela Munz-Schmidt

Butterflies ( In Sipplingen )

You see butterflies rare

in the sunlight´ s flare

at the hot hilly side.

O could like them through the air I glide!

O could I exceed

caterpillar´ s greed

and overcome the pupa´s need!

O could I fly

and swing in the blue

of the warm sky,

fly this summer with you.

Gisela Munz-Schmidt

From: My WAY ALONG LAKE Constance
verlag StadleR





VERBINDUNGEN

Mitten in der Nacht
bin ich am Mondschein aufgewacht.
Die Sonne
sendet mir Grüße.

Gisela Munz-Schmidt  
Vollmond in Owingen
Schmuck aus Ghana
Ausschnitt

Die Sonne

Und jeden Morgen steigt sie aus dem Meer,
um ihren Tageslauf von neuem anzutreten.
Sie ist so schön. Ich möchte sie anbeten
und liebe sie wie eine Göttin sehr.

Doch ahn ich ihre Unerbittlichkeit und ihre Strenge,
als könne sie in einem harten Zorn
uns und das ganze Land zerstören und verdorrn,
als geißele sie und brenne sie und senge.

Ein jeder Tag beginnt jedoch, als ob sie neu mich lade
an ihren Tisch der Wärme und der Gnade:
Sie hat uns alles gut bereitet.

Da bin ich, ihre Tochter, mit ihr und ihrem treuen Gatten,
dem ruhigen stillen dunklen Schatten,
der sie auf ihrem runden Gang begleitet.

Gisela Munz-Schmidt 
Sonett
Kleine Replik des Diskuswerfers von Myron
aus Alabaster in unserem Regal

Wechselwirkungen

Ich bewege etwas.

Es bewegt mich.

Ich berühre etwas.

Es berührt mich.

Ich treibe etwas voran.

Es treibt mich um.

Ich ergreife etwas.

Ich bin ergriffen.

Gisela Munz-Schmidt

„ POST NUBILA PHOEBUS“

( Nach Wolken Sonne )

Lateinisches Sprichwort

„AUF REGEN FOLGT SONNENSCHEIN“

Deutsches Sprichwort
Regression und Neuanfang

Wenn ich in den Mondschatten gleite
und ich schlafwandle,
träume statt handle,
die Flügel ausbreite,

wenn ich Lautes und Grelles meide,
in Sümpfen wate,
aus Schritt und Tritt gerate
und an mir selber leide,

wenn mich das Dunkle umweht wie eiskalter Wind,
bin ich ein hilfloses Kind,
das einsam greint,

bin ich, wie Sterbende sind,
um die keiner weint,
bis wieder, aus Wolken, die Sonne scheint.

Gisela Munz-Schmidt 
Sonett


Strauchpäonienblüte in unserem Garten

Gedichte vom Bodensee: Ungeheuerliches in Überlingen : Die Frau und der Löwe

Überlingen Bild von Horst Müller

Eine Überlinger Sage:

Die Frau und der Löwe

Zu Staub zerfällt die Welt.
Ins Grab
geht alles Leben hinab.
So lautet das Gesetz.

Doch gibt es Kräfte,  die dem widerstehen.
Erinnerung ist eine solche Spur vom Einst ins Jetzt,
und auch das Wort erhält.
Gegen das Fallen und Verlieren steht Liebe auf und überwindet.

Beim Tor lebt‘ eine Frau,
die hatte nur ein einziges Kind,
das liebte sie so sehr,
dass andere sagten,
sie wär‘ vor Liebe blind.
( Wir wissen wohl, wie Liebe blendet,
doch auch, dass sie erkennt.)
Jedoch so kurzen Blicks, wie oft die Leute sind,
wollten sie diese Ansicht gar nicht gelten lassen.
Da irrte eines Tages durch die Straßen und die Gassen
von Überlingen ein Löwe.
Woher? Wohin? Kein Mensch hat‘s je gewusst!
Er lief geradewegs zum Hause jener Frau
und nahm mit großem Maul das vielgeliebte Kind,
als sei es Löwenfutter,
von ihrer Brust.
Die Mutter,
ganz außer sich und offenen Haares,
entriss es ihm.
Da war‘s gerettet,
und der Löwe, vom Löwenmut der Frau geschlagen,
zog knurrend ab mit leerem Magen
und ward nie mehr gesehen.

Den Löwenkopf ließ jene Frau
aus Stein als Angedenken hauen
und diesen Stein ins Haus einbauen.

Das Haus verfiel, ein Spiel der Zeit,
der Löwenkopf, er wurde abgenommen,
ist aber später dann verkommen,
der Stein zu Sand und Staub zerfallen.

Das Wort, das Lied, nimmt Sand und Staub
und macht daraus den Stein, der ewig hält.
Darum wird allen Leuten die Sage von der tapferen Frau erzählt.

Ich glaube wohl, sie soll bedeuten:
Selbst wenn es starke Gegenmächte gibt,
wachsen dem Menschen Kräfte,
wenn er liebt.

Gisela Munz Schmidt
Aus:
Sagenhaftes Überlingen 
Owingen Salem Heiligenberg
( Quelle: Theodor Lachmann, 
Sagen und Bräuche am Überlinger See)

Erhältlich im Städtischen Museum Überlingen
und bei Gisela Munz-Schmidt





Der Ochsensprung vom Katharinenfelsen

Steindruck von I.A. Pecht, Konstanz,1832, Die alte Felskapelle St. Catarina bey Überlingen

Der Ochsensprung vom Katharinenfelsen

Molassefelsen prägen das Land,
und jener, der am höchsten stand,
heißt immer noch Katharinenwand,
weil dort, vor alter langer Zeit
eine Kapelle war, Katharina geweiht.

An einem heißen Tag im frühen Sommer
pflügte dort ein Bauer, ein braver und frommer,
fleißig und unverdrossen und wacker
mit seinem Ochsengespann seinen Acker.
Die Arbeit war mühevoll und schwer,
doch sein liebes Töchterlein half ihm sehr,
sie führte auf diesem steilen Hügel
das Ochsenpaar geschickt am Zügel.
Doch die Tiere, von bösen Bremsen gestochen,
waren plötzlich wild und ausgebrochen,
gerieten außer Schritt und Tritt,
sie rissen das junge Mädchen mit,
es half kein Ruf mehr, es half kein Stab,
sie stürzten zusammen die Felswand hinab.
Der Bauer in seiner Herzensnot,
vor seinen Augen des Kindes Tod,
rief laut zu Hilf Katharina an.
Die Heilige hat das Ihre getan:
Als der Bauer zum Seegrund war gekommen,
sind Tochter und Tiere im See geschwommen,
und es fanden sich weder Wunden noch Spuren
des Sturzes, nicht die geringsten Blessuren!

Katharina sei Dank, der gute Mann
brachte Pflug heim und Kind und Ochsengespann -
was er im See so wohlbehalten fand,
gerettet von Katharinas Hand.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: SAGENGEDICHTE von Gisela Munz-Schmidt
Owingen, 2004
 

GELB

Strauchpäonie in unserem Garten
Gelb

Zitrone und Limone,
Melone und Aprikose,
Teerose und Mimose,
Sonnenbraut und Sonnenauge.

Safran, Seide,
Gold und Sand:

Gelb
ist anders
in jedem Land.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Schöner Fächer Regenbogen
Gedichte über Farben
Aquarell von Sibylle Buderath
Osterglocken, Detail

IRIS

Gelbe Schwertlilien in unserem Garten
Iris

Dreimaldreifachtanz!
Eleganz mit Charme und Stil,
Frühsommergefühl…

Gisela Munz-Schmidt
Haiku
Iris Superstition in unserem Garten
Schwertlilien 

Auf starken Stielen stolz und fest gehalten
können sie ihren Schleiertanz entfalten.
Mit Anmut, Farbe, Haltung wie aus klassischem Ballette
dreh‘n dreimal dreifach sie die Blütenpirouette
und steh‘n wie Primaballerinen,
welche selbstverständlich den Applaus erwarten:
verzauberte, verzaubernde Gestalten
in einem alten kultivierten Garten.

Gisela Munz-Schmidt 
Aus: Blumen am Weg

Aquarell von Sibylle Buderath in : Blumen am Weg
Iris Vanity in unserem Garten

Iris ist in der griechischen Mythologie die Göttin des Regenbogens,

und in allen Regenbogenfarben blühen die Schwertlilien.

Nach Homer war Iris auch eine Botin der Götter –

auch für manche von uns noch nachvollziehbar und glaubwürdig!

HAIKU

Haiku Lyrik entspringt einer jahrhundertealten japanischen Tradition.

Ich habe die Variante mit

5 Silben

7 Silben

5 Silben

gewählt.

Warum so streng?

Meine eigene Haiku Sammlung ist durch die Betrachtung von Blumen inspiriert, und Blüten sind auch gesetzmäßig aufgebaut!

SONETT

Ich schreibe auch oft Sonette.

Das ist eine strenge europäische Gedichtform, die aus dem Italien des 13. Jahrhundert stammt, mit vorgegebenen Regeln, die in den verschiedenen europäischen Ländern unterschiedlich ausgeprägt waren.
Eine Wissenschaft für sich!

In meiner Lyrik finden sich noch 14 Zeilen, also zwei Quartette (mit dem Reimschema abba cddc )und zwei Terzette ( mit variierenden Reimen( efe fef) * alles andere- Silbenzahl und Metrik – handhabe ich frei.

Ich lese mir einfach , wenn ich ein Gedicht geschrieben habe, meine Zeilen laut vor, und dann bestimme ich, ob es stimmt!

* Zum Beispiel beim Gedicht Gehen und Verstehen

REIM

Reime sind Verse sind Gedichte.

Lyrik ist Poesie und braucht keine Reime.

Das weiß ich wohl,

aber ich bin reimverliebt!

(Siehe mein Gedicht Ich mag den Reim)

Das hat sicher mit meinem Weltverständnis zu tun :

Wiederholungen in Varianten kommen so häufig vor in der Natur und im Leben, so dass mir eine Übertragung in Sprache total organisch vorkommt.
In Gedichte gegen Gewalt habe ich eine Art Ghaselen geschrieben, eine alte arabische und persische Gedichtform, die einen einzigen Reim alternierend wiederholt, mit faszinierender eindringlicher beschwörender Wirkung.

Ein Ghasel besteht also aus einer Folge von jeweils zwei Verszeilen, deren zweite Zeile immer den im ersten Vers angewandten Reim hat.

Ein Beispiel:

Trost

Ich halte deine Schmerzen in mir aus
und sing so lang, bis deine Wunde heilt.
Inzwischen bauen andere ein Haus.
Solange sing ich, bis die Wunde heilt.
Ich binde aus vergessnen Blumen einen Strauß 
und singe lange, bis die Wunde heilt.
Auch wenn die anderen hasten, und ein jeder eilt:
Ich bin geduldig, und ich sing so lang, bis deine Wunde heilt.

Gisela Munz-Schmidt
Ghasel
Aus: Gedichte gegen Gewalt

Schon als kleines Mädchen, seit ich denken kann, habe ich in Liedern oder Versen auf ein Reimwort gewartet und mich gefreut, wenn es kam.

Im Leben gibt es Gesetze!

Die Welt hat eine Ordnung!


Erwartungen werden erfüllt!

Das fühlte ich, und es war wahr.

Ich wusste noch nicht, dass Gesetze gebrochen werden, Ordnung zu Chaos werden kann und Erwartungen sich nicht erfüllen.

Jetzt bin ich schon alt, aber unbeirrt stehe ich fest zum Reim.

WIR FRAUEN

Marita Hornberger
Einladungskarte zu ihrer Ausstellung
Malerei
in Langenargen 2010
Das Geheimnis

Es gibt ein Geheimnis,
das musst du mir lassen.
Sein Kern ist jenseits von Lieben und Hassen,
ist fern von Streicheln oder Streiten, 
weit ist sein Kern von Stunden oder Zeiten,
ist losgelöst von Gut und Böse, Ja und Nein,
ist abgewandt von Grob und Fein
und überschreitet Groß  und Klein,
lebt nicht in Hirn, Herz, Ader oder Bein;
ist weder Glück
noch Grausamkeit,
noch Trauer;
ist wie ein Wind,
ein Hauch,
der geht
und weht
durch jede Mauer.
Sein Kern ist wesenhaft und rein;
ist spürbar,
und doch nie zu fassen.
Dieses Geheimnis musst du mir lassen.

Gisela Munz-Schmidt

Aus:
Erfüllung finden



Marita Hornberger
Marlene Thomsen In: Erfüllung finden

Die Frau

Ich fühl mich wohl in meiner Frauenhaut.
Ich bin zwar nicht so groß und stark gebaut,
doch groß genug, mich ganz zu fassen,
und stark genug, mich ganz zu lassen.

Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenherz.
Es ist zwar nicht so hart und fühlt sehr leicht den Schmerz,
doch hart genug, Schläge zu überstehen
und leicht genug, Fehler zu übergehen.

Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenhaar.
Es wächst, du kannst die Jahresringe sehen.
Ich färb es ein und bleich es aus,
bind‘s fest zusammen, und ich lass es offen wehen.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Erfüllung finden

DIE BURG





Ölgemälde von Rudolf Munz
2000
Die Burg

Sagenumwoben 
sei die Burg,
so sagten sie, droben.

Wir stiegen hinauf, wo andere ritten,
umarmten einander, wo andere stritten,
scherzten da, wo andere litten,
inmitten der Mauern,
die fallen und dauern.
Falter flattern ums Gesicht,
Eidechsen huschen auf Steinesbänder,
weit blendende Sicht über Hügel und Berge und Länder,
auf Eisengeländer 
zerfallende Ränder,
vergessenes Rauschen ferner Gewänder.
Ein lautes Lied 
vom hohen Fried,
neben eingewachsenem Fries
Rüstungen, Ketten, Harnisch und Spieß,
Klagen aus Schutt und Verlies,
dazwischen Efeu, Ehrenpreis,  Rosen, Klee,
verklungenes Wimmern und Jammern
auf Stiegen, in Sälen, in Küchen und Kammern,
im Palas des Troubadouren Gedicht
von Neigung und Pflicht,
Dienst, Mut und Minne,
Krieg, Niederlage und Sieg -
Wir hielten inne,
verstanden den Pfad der eilenden Spinne,
begriffen Jubel und Weh:
belagern, erobern,
hungern und essen,
hauen und kosen,
streiten und raufen,
feiern und saufen,
stöhnen und röcheln und schnaufen,
liegen, stehen, reiten, sitzen,
frieren und schwitzen,
alleine und miteinander schlafen, 
loben, lachen, lieben, hassen, strafen
in allen Farben, schwarz und weiß -
tiefer Schacht,
Tag, Nacht,
Macht, Ohnmacht,
frei und gefangen,
Hoffen und Bangen,
Lohn, Hohn und Gericht,
das Rad und der ewige Kreis.

In jeglichem Reich
sind so alle Burgen.
So oder ähnlich und gleich.

Gisela Munz-Schmidt





Ich bin im Neckartal aufgewachsen und habe von Kindheit an Burgen als eigene besondere Welten erlebt. Inzwischen habe ich viele Burgen und Schlösser besucht und besichtigt, zwischen Verfall und Erhalt, und nie kann ich mich der Atmosphäre entziehen, die solche Schauplätze der Vergangenheit und Gegenwart darstellen.

Im Eigenverlag – und mit Unterstützung des Landkreises Bodenseekreis – habe ich zwei Hefte herausgegeben, die Sagengedichte aus unserer Region enthalten.

Da sie sich im Inhalt auf die Sammlung „ Sagen und Bräuche am Überlinger See“ von Theodor Lachmann beziehen, sind sie auch im Überlinger Museum erhältlich.

Der Medizinalrat Theodor Lachmann hatte seit 1870 eine Sammlung von Altertümern zur Überlinger Geschichte angelegt, die den Grundstock des städtischen Museums bildete, das 1913 von Victor Mezger im Reichlin-von-Meldegg-Haus eingerichtet wurde.

Ein Besuch des Museums lohnt sich!

“Kulturhistorisches Museum mit historischen Räumen, Kapelle, Kunst, Relikten und Garten mit Seeblick“





Titelbild: Stahlstich von Corradi
“Gallerthurm in Überlingen“
Titelbild: Steindruck von I.A.Pecht
„Die alte Felskapelle St. Catarina bey Überlingen“
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