Lyrik vom Bodensee

Kategorie: Am Bodensee (Seite 1 von 2)

Übersee Konstanz

Konstanz und der Seerhein

Aquarell von Sibylle Buderath Rheinbrücke Konstanz

Zu den Fakten:

Der Alpenrhein mündet am Rheinbrech in den Bodensee, sinkt in die Tiefe und durchfließt den Bodensee ungefähr 48 km lang bis zu seinem Austritt bei Konstanz; ab da wird er Seerhein genannt.

Ein Faszinosum!

Die Lyrik lebt von Bildern, Metaphern, Symbolen…Also:

See und Rhein

Und es zieht dieser Rhein in diesen See
so wie ein Liebender in eine Seele.

Er geht hinein,
und da ist weder Wand noch Wehre,
er gibt sich ganz
und bleibt mit weichen Wasserrändern
er selbst,
als wüsste er so jung
um seinen langen Weg.

Der Rhein, der See, sie teilen
für eine Zeit ihr Sein.
Verbunden und allein
durchfließt den See der Rhein
und lässt ihn dann zurück:

Zum Strom geworden,
den es weiter drängt,
der seinen Austritt will
und sich durch Hindernisse zwängt,
der sammelt und bewundert wird,
und doch verwundet sucht im Meer,
was er verloren.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Verlag Stadler Konstanz





Aquarell von Sibylle Buderath Das Rheintor in Konstanz

Konstanz am Rheintor

Ganz ist die Stadt und ist eine Brücke.
Die Stücke
fügen sich, nur ein paar Schritte
herüber, hinüber an See und an Rhein,
so nimmt sie dich ein
und in ihre Mitte.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Verlag Stadler Konstanz
Constance

A city of vision,
a bridge of transition
combining novelty and tradition

offering spaces
granting places
showing graces

and horizons narrow and wide.
The Lake and the Rhine
flowing at its side.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Verlag Stadler Konstanz

Konstanzer Sagen

Ein schreckliches und schauriges SAGENGEDICHT über Konstanz:

In Konstanz ist gut stehlen

Ein Irrtum, ein Justizirrtum gar,
fand in Konstanz statt, genau im Jahr
1450 zur Winterszeit.
Es hatte viel und mächtig geschneit,
und ein Krämer aus dem welschen Land,
der den Weg von Meersburg nach Konstanz fand,
wurde bei Staad, wo sich‘s zugetragen,
von einem Landstreicher brutal erschlagen -
aus Habgier, mit Absicht und böser Tücke,
aus dem Hinterhalt unter einer Brücke.
Damit der Mord nicht würde entdeckt,
hat der Mörder den Leichnam sorgsam versteckt,
zog dann seine Schuhe umgekehrt an
und ging auf ein Haus zu, in dem ein Mann,
ein Witwer, mit seinen Söhnen lebte.
Eine Falschspur zu legen der Täter erstrebte.
Darauf schlug sich der Mörder mit seinem Raub
in die Büsche und machte sich aus dem Staub.

Am nächsten Tag erschallte die Kunde
von dem Erschlagenen, zur gleichen Stunde
erhob Anklage der Konstanzer Rat
gegen Vater und Söhne wegen Mordestat,
denn zu ihnen führte eindeutig die Spur,
sie wurden gefangen, trotz Unschuldsschwur.
Und da die Drei den Mord nicht gestanden,
die Knechte sie auf die Folter banden,
und nach schmerzlichsten Qualen, unsäglich langen,
schrien die Söhne, sie hätten die Tat begangen.
Der Scharfrichter ließ sie rädern, jedoch
ihr Vater lebte immer noch
im Gefängnis mit seinen Folterwunden -
trotz seiner Unschuld verletzt und geschunden.

So verging eine Zeit, bis ein Bote kam
aus Verona mit Briefen, die ein Richter nahm,
darin war die grausame Wahrheit zu lesen:
Ein Anderer war der Mörder gewesen,
der habe vor seiner Erhängung bekannt,
die Stadt und die Stelle genau benannt,
wie er damals kalt und ungerührt,
andere in Verderben und Irrtum geführt.

Da gingen Schrecken und Reue um,
der Rat bat den armen Vater darum
um Verzeihung und bot dem alten Mann
als Schmerzensgeld zehntausend Gulden an,
doch der Alte wollte das Geld nicht haben
und zog bettelnd durch Konstanz um milde Gaben.

Die reuigen Richter ordneten an,
dass fürderhin ein jeder Mann,
der den Tod durch das Rad verdienet hätte,
nur den Strang erhalten täte.
Und jeder, der am Galgen sollt hangen,
den Tod durch das Schwert nur sollte erlangen,
und jeder, der durch´s Schwert sollte gehen,
bräuchte nun bloß am Pranger stehen.


Daher war bei den Gaunern und Dieben
das folgende Wort noch lange geblieben:
„In Konstanz ist gut hehlen
und stehlen,
denn weil den Rat Gewissensbisse drängen,
braucht in Konstanz ein Dieb nicht hängen!“

Gisela Munz-Schmidt

Nach Bernhard Möking,
Sagen und Schwänke vom Bodensee,
Konstanz, 1981


Ein weiteres SAGENGEDICHT, in dem der Rat Vorbildliches geleistet hat:



Die Sage von Wendelgard von Halten

Die Haltnau bei Meersburg
Aquarell von Sibylle Buderath
Wendelgard von Halten

Die Haltnau-Sage erzählt uns genau
die Geschichte einer besonderen Frau.
Schlechtes und Gutes, Fluch und Segen
tat das Schicksal ihr in die Wiege legen.
Doch was es ihr auch hat gebracht,
sie hat das Beste daraus gemacht.

Erbin war sie von großem Besitz
direkt am See - und Mutterwitz
und ein klarer Verstand,
eine liebe Art, eine offene Hand,
das alles sprach man gern ihr zu.
Aber anderes ließ ihr keine Ruh:
Sie trug einen Höcker auf dem Rücken,
konnte schlecht gehen und kaum sich bücken,
war überdies auch im Gesicht 
wahrhaftig eine Schönheit nicht.
Sie hatte ein Schnäuzlein wie das eines Schweines,
ein Rüsselchen eben, wenn auch ein kleines.
Je älter sie wurde, je mehr offenbar
warn die Mängel, und sie ihrer gewahr.
Es ließ auch das Höhnen und Spotten nicht nach.
So seufzte sie häufig:“O weh und o ach!“
und weinte in ihr Schüsselchen:
„Keiner gibt mir ein Küsselchen!“

Oft hat sie darüber nachgedacht,
die Tränen getrocknet: „Es wär doch gelacht,
wenn alles, selbst wenn ich mich schäme,
nicht doch ein glückliches Ende nähme!
Schließlich hinterlasse ich, wenn ich sterbe,
ein beachtlich großes Erbe!“
Also schritt sie energisch zur Tat
und ließ kommen den Meersburger Rat,
dem sie die Sache zur Sprache brachte 
und ausgeklügelt den Vorschlag machte:
Bis an ihr seliges Ende sollte
einer der Räte, so wie sie es wollte,
jeden Sonntag, nach dem Morgenkuchen,
zur Gesellschaft sie besuchen,
sie würden ausfahren und dinieren,
ubd danach noch gut soupieren,
und zum Abschied gäb‘s als Dank ein Küsselchen
auf das Wendelgardsche Rüsselchen.
So hätte sie wenigstens wöchentlich eben 
eine schöne Freude und etwas vom Leben.
Und wenn ihr Gott dann die Lider schließe
erbe Meersburg alles, Weinberg und Wiese.

Aber der Rat tat sich gerieren,
die Räte sich genieren und zieren,
und sie gaben hochnäsig abschlägig Bescheid 
und sagten nicht einmal: „Es tut uns leid.“

Jungfer Wendelgard ließ sich‘s nicht verdrießen 
und kam zu folgendem Beschließen:
Wenn der Nachbar gar nicht will zur Linken,
werde ich über den Bodensee winken,
vielleicht geht Konstanz den Handel ein
und will der Haltnau Besitzer sein?
Sie trug ihr Erbe Konstanz an,
und die Räte, Mann um Mann,
kamen , ohne zu murren oder zu fluchen,
tapfer zum sonntäglichen Besuchen.
Sie standen pflichtschuldig durch das Programm,
und als dieses jeweils zu Ende kam,
gab‘s noch zum Schluss auf‘s Rüsselchen 
ein beherztes Küsselchen.
So ging es Woche um Woche, Jahr um Jahr,
und als Wendelgard betagt gestorben war,
fielen Wiese und Weinberg und Ross und Kuh,
fiel alles den wackeren Konstanzern zu.

Konstanz hat Mitleid und Weitblick bewiesen,
und wir können die Haltnau noch heute genießen.

Gisela Munz-Schmidt 

Quellen: Gedenktafel am Weingut Haltnau und Theodor Lachmann, Sagen und Bräuche am Überlinger See, Weißenhorn, 1972

Imperia

Minoische Schlangengöttin Archäologisches Museum Heraklion Kreta Pixabay.com
Imperia

Auf Kreta bändigt die Göttin Schlangen,
in Konstanz die Kurtisane Kaiser und Papst.

Lass uns das herunterbrechen:
Alle: Anspruch und Wirklichkeit.
Eltern: Kinder und Alltag.
Ich: Phantasie und Alterung.
Und du?
Hauptsache: Alles im Griff.

Gisela Munz-Schmidt

SAGEN und SAGENGEDICHTE Hohenbodman Die Sage vom Goldenen Kegelspiel

Aus: Rudolf Koch, Der Linzgauleuchtturm Hohenbodman, Münster 2019, S.26

Heute möchte ich es mit einer Sage ganz genau nehmen und den Unterschied zwischen Vorlage, Ausarbeitung und Deutung aufzeigen.

  1. Die Vorlage
  2. Meine Gestaltung als Ballade
  3. Meine Deutung

Die Vorlage, meine Quelle, steht unter dem Titel „ Das Ritterfräulein von Hohenbodman“ in der Sammlung des Überlinger Arztes und Museumsgründers Theodor Lachmann unter der Rubrik „Owingen mit Bambergen und Hohenbodman“ als Nr. 91 auf Seite 113 in der Ausgabe von 1972.

….Früher, namentlich um die Fastenzeit, sah man manchmal eine Frauengestalt im weißen Gewand um den Turm spazieren gehen. Auch will man dort einen feurigen Mann oder auch ein Licht wahrgenommen haben, die aber verschwanden, wenn man auf sie zuging. Der Sage nach hatte dereinst ein Ritterfräulein von Hohenbodman eine Liebschaft mit einem Burschen der Gegend, der weit unter ihrem Stand war. Bei einem Stelldichein mit ihrem Geliebten wurde sie von ihren Brüdern getroffen und von ihnen auf der Stelle ermordet. Unter dem Turm soll sich ein Keller mit Schätzen befinden, unter ihnen ein goldenes Kegelspiel. Aber niemand kann es finden….

Meine Gestaltung:

Gisela Munz- Schmidt, Sagenhaftes Überlingen Owingen Salem Heiligenberg ,Gedichte um alte Sagen, Owingen 1990

Meine Deutung

Mein zentrales Motiv war die Liebschaft des Fräuleins und des Burschen. Ich habe mir ausgemalt, wie es dazu kommen konnte, und eine Notsituation erfunden, die einen hohen emotionalen Druck erzeugte. Der Bursche hatte Todesangst vor den Wölfen, die hier als fürchterliche Bedrohung eingesetzt sind. ( Das hat mit meiner persönlichen Meinung zu wirklichen Wölfen nichts zu tun! ) Auch das Fräulein hatte Angst, und es war ihr unheimlich – wilde Wölfe, Mondnacht, klirrende Kälte – das alles wühlte sie auf.
Die Liebesgeschichte reduziert sich auf die Frage: Kannst du mir Zuflucht geben? Und die Antwort durch eine Handlung : sie…ließ den Burschen ein.
Durch eine Sondersituation waren die Standesunterschiede aufgehoben, zwei Menschen begegneten einander, die dieselben Gefühle verband. Ich fand es schön, dass sich die symbolhafte Wolfshorde in ein goldenes Kegelspiel verwandelte. Das Triebhafte, Angstbesetzte wurde zivilisiert und veredelt, ich glaube, durch die Liebe.
Die Strafe der Brüder habe ich weggelassen, weil ich den von mir gewählten Kern der Geschichte nicht zerstören wollte. Den Brüdern waren andere Werte wichtig, und durch den Mord, hier ein Ehrenmord, gab es die sogenannten Unerlösten, die Wiedergänger und Untoten, die als Lichterscheinungen oder Feuergestalten umhergehen und spuken müssen. Das wäre ein anderes Sagenmotiv, das häufig in verschiedenen Gegenden vorkommt. Ich aber wollte die schicksalhafte phantasierte Begegnung des Liebespaares einfach so folgenlos stehen lassen.
Ich bin nicht oft so weit über eine Vorlage hinausgegangen. Darf ich das? Aber natürlich! Dazu berechtigt mich meine Licentia poetica, meine dichterische Freiheit.

Inzwischen habe ich eine andere Interpretation geschrieben:

Das Ritterfräulein von Hohenbodman

Um den Turm herum eine weiße Gestalt,
ein Ritterfräulein, die Sage ist alt,
erlag dereinst der Liebe Gewalt.
Ihren Liebsten sie fand
unter ihrem Stand.
Die Liebschaft jedoch war von kurzer Dauer,
ihre Brüder legten sich auf die Lauer
und ermordeten grausam sie und ihn.
Unerlöst sieht man nachts um die Burg sie ziehn.

Gisela Munz-Schmidt 

Wilderich Graf Bodman : „ Diese Sage entbehrt jedenfalls einer nur annähernden historischen Bestätigung.“

Vergleiche dazu die Sage von Albero von Bodman und den von Graf Bodman erläuterten historischen Hintergrund.

Sonnenblumen am Weg

Fotos: Gisela Munz-Schmidt, Am Lyrikweg in Owingen, 1. November 2023

,

Sonnenblumen am Weg

Gehen,

wo die Strahlen nirgends enden.

Wie die Blüten sich zur Sonne wenden.

So wie Sonnen Licht und Wärme spenden.

In Blumen Zeichen sehen.

Gisela Munz-Schmidt Aus:Blumen am Weg, verlag Stadler Konstanz

Ein bisschen zerzaust sind sie schon, diese Sonnenblumen Anfang November, aber sie werden noch sehr gerne besucht!

Seite an Seite

Seite an Seite

mit den Blumen

mit den Tieren

mit den Menschen.

Und ich erkenne Dich an

und Du mich

und ich kenne Dich

und Du mich

und ich erkenne Dich

und Du mich

und alles wäre so einfach.

Gisela Munz-Schmidt Aus: Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz

Insel Reichenau

2023 im September Sonnenaufgang und Abendstimmung

Fotos: GiselA Munz-schmidt
Eine Insel, hoch geehrt,
Augia, all ihrer Ehren wert.

Reichenau

Die ganze Insel
ein großer Garten.

Doch ich suche immer bloß
das Klostergärtle 
an der alten Mauer

mit den Minze
und der Eberraute
und der Weinraute

und der schönen gallischen Ros‘.

Gisela Munz-Schmidt

Walafrid Strabo, der seit 825 Mönch des Benediktinerklosters auf der Reichenau war, beschrieb die Rose Anno 827 so:

…Flor ihrer purpurnen Blüte,
die allen Schmuck der Gewächse
Alsbald an Kraft und Duft, wie man sagt, so weit überstrahlte,
Dass man mit Recht als die Blume der Blumen sie hält und erkläret.

Natürlich hat Walafrid lateinisch geschrieben:


Nun fehlt noch ein Bild einer gallischen Ros: Meine schöne Tuscany Superb gehört auch zur Familie!

Übrigens wird der Klostergarten für das Jubiläumsjahr 2024 neu und groß angelegt, und hoffentlich vergessen die Gartengestalter die Rose nicht!

Maibaumstellen in Owingen

Auf Kommando drücken,rücken,
in Vierergruppen 
schieben, wuppen,
hoch das kranzgeschmückte Holz!
Der Zimmerergilde ganzer Stolz!
Unser Applaus ist euer Lohn,
und die Erquickung wartet schon.

Das Brauchtum weiht den Maien ein,
begleitet vom Musikverein.


Gisela Munz-Schmidt

Im Frühling am Bodensee

Aquarell von Sibylle Buderath
Aus dem Lyrikbildband Wege zum See, Verlag Stadler Konstanz
Frühling am See

Der Frühling kam fast über Nacht,
vertraut, ersehnt,
und schaut und lehnt
am Wiesenrand,
am Gartentor,
und alles steht in vollem Flor
und blüht in heller Pracht.

Die Welt kommt mir verändert vor,
verwandelt See und Land.
Der Frühling ist ein Zauberer.
Er herrscht mit leichter Hand.

Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Wege zum See
Aquarell von Sibylle Buderath
Veilchen 2016 16×20 cm
Frühlingsblumen blühen

Die Tage werden wärmer.
Aus Tieren und aus Menschen werden Schwärmer.

Himmelsschlüssel auf den Wiesen,
Tuffs und Horste roter Tulpen,
die in allen Gärten sprießen,
bunte Primeln, Osterglocken,
wie ins Weite, Freie sie Dich locken,
an geheim gehaltenen Stellen
blühen weiche Küchenschellen,
Mauern blauer Blütenkissen,
Beete gelber Prachtnarzissen,
Veilchen heben´ s Köpfchen aus den Grasverstecken,
und wie selbst die kleinsten Gänseblümchen
sich dem Licht zustrecken,
wie sie glühen und wie sie sich recken -

Die Tage werden länger.
Aus Tieren und aus Menschen werden Sänger.

Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz

„Wenn du mit einem Fuß auf sieben Gänseblümchen treten kannst, dann ist Frühling.“ Deutsches Sprichwort

“When you can tread on nine daisies at once, spring has come.“
English Proverb

Aquarell von Sibylle Buderath
Aus dem Lyrikbildband Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz
Gänseblümchen 

Erinnere dich:
Die Welt war voller Schnee.
Aber alles
weggeschmolzen,
fortgeweht
und aufgetaut
und nun sehen wir,
entzückend und vertraut,
diese
süßen kleinen Augensternchen
auf der grünen Wiese.

Gisela Munz-Schmidt



Willst du dich am Ganzen erquicken,

so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken.

Johann Wolfgang von Goethe

Man sollte alle Tage ein kleines Lied hören,

ein gutes Gedicht lesen,

ein treffliches Gemälde sehen und,

wenn es möglich zu machen wäre,

einige vernünftige Worte sprechen.

Johann Wolfgang von Goethe

Macht die Liebe, die Kunst jegliches Kleine doch groß.

Johann Wolfgang von Goethe

Gedichte vom Bodensee : Die Haltnau-Sage von der buckligen und klugen Wendelgard

Die Haltnau bei Meersburg
Aquarell von Sibylle Buderath
Wendelgard von Halten

Die Haltnau-Sage erzählt uns genau
die Geschichte einer besonderen Frau.
Schlechtes und Gutes, Fluch und Segen
tat das Schicksal ihr in die Wiege legen.
Doch was es ihr auch hat gebracht,
sie hat das Beste daraus gemacht.

Erbin war sie von großem Besitz
direkt am See - und Mutterwitz
und ein klarer Verstand,
eine liebe Art, eine offene Hand,
das alles sprach man gern ihr zu.
Aber anderes ließ ihr keine Ruh:
Sie trug einen Höcker auf dem Rücken,
konnte schlecht gehen und kaum sich bücken,
war überdies auch im Gesicht 
wahrhaftig eine Schönheit nicht.
Sie hatte ein Schnäuzlein wie das eines Schweines,
ein Rüsselchen eben, wenn auch ein kleines.
Je älter sie wurde, je mehr offenbar
warn die Mängel, und sie ihrer gewahr.
Es ließ auch das Höhnen und Spotten nicht nach.
So seufzte sie häufig:“O weh und o ach!“
und weinte in ihr Schüsselchen:
„Keiner gibt mir ein Küsselchen!“

Oft hat sie darüber nachgedacht,
die Tränen getrocknet: „Es wär doch gelacht,
wenn alles, selbst wenn ich mich schäme,
nicht doch ein glückliches Ende nähme!
Schließlich hinterlasse ich, wenn ich sterbe,
ein beachtlich großes Erbe!“
Also schritt sie energisch zur Tat
und ließ kommen den Meersburger Rat,
dem sie die Sache zur Sprache brachte 
und ausgeklügelt den Vorschlag machte:
Bis an ihr seliges Ende sollte
einer der Räte, so wie sie es wollte,
jeden Sonntag, nach dem Morgenkuchen,
zur Gesellschaft sie besuchen,
sie würden ausfahren und dinieren,
ubd danach noch gut soupieren,
und zum Abschied gäb‘s als Dank ein Küsselchen
auf das Wendelgardsche Rüsselchen.
So hätte sie wenigstens wöchentlich eben 
eine schöne Freude und etwas vom Leben.
Und wenn ihr Gott dann die Lider schließe
erbe Meersburg alles, Weinberg und Wiese.

Aber der Rat tat sich gerieren,
die Räte sich genieren und zieren,
und sie gaben hochnäsig abschlägig Bescheid 
und sagten nicht einmal: „Es tut uns leid.“

Jungfer Wendelgard ließ sich‘s nicht verdrießen 
und kam zu folgendem Beschließen:
Wenn der Nachbar gar nicht will zur Linken,
werde ich über den Bodensee winken,
vielleicht geht Konstanz den Handel ein
und will der Haltnau Besitzer sein?
Sie trug ihr Erbe Konstanz an,
und die Räte, Mann um Mann,
kamen , ohne zu murren oder zu fluchen,
tapfer zum sonntäglichen Besuchen.
Sie standen pflichtschuldig durch das Programm,
und als dieses jeweils zu Ende kam,
gab‘s noch zum Schluss auf‘s Rüsselchen 
ein beherztes Küsselchen.
So ging es Woche um Woche, Jahr um Jahr,
und als Wendelgard betagt gestorben war,
fielen Wiese und Weinberg und Ross und Kuh,
fiel alles den wackeren Konstanzern zu.

Konstanz hat Mitleid und Weitblick bewiesen,
und wir können die Haltnau noch heute genießen.

Gisela Munz-Schmidt 

Quellen: Gedenktafel am Weingut Haltnau und Theodor Lachmann, Sagen und Bräuche am Überlinger See, Weißenhorn, 1972

Gedichte vom Bodensee: SOMMER am BODENSEE

Summer

Summer sets sail,
sun and sunshine prevail.
Harbour good-bye,
gold ‘s in the sky.
Breezes blow well,
spinnakers swell -
every wind‘s friend am I.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Sibylle Buderath Abendstimmung mit Booten vor der Insel Reichenau
Aquarell 2020
Föhnstimmung

In der Silberschmiede
des Windes
schmilzt der See
und glänzt sich aus.
Da glänze ich wortlos 
mich ein.

Gisela Munz-Schmidt 
Aus: Wege zum See
Foehn Mood

This is what happens many a day.
At a sudden it's warm
in a very strange way.
The air is clear.
The mountains seem near.
The lake shines like a melting pot.
Glittering shivering  burning hot.

A prince and a princess.
An access. An excess.
From long ago and recently told.
Love is madness.
A fancy. A frenzy.
Water is silver and gold.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
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