Foto: Georg Schmidt, April 2023, Ausschnitt

Unsere Hände

Ich sehe eine Hand, seh´, wie sie sucht.
Sie tastet über Ecken, Kanten, Bogen,
als wäre sie von Grenzen angezogen,
voll Unrast, wie ein irrer Geist, verflucht.

Ich blicke stumm auf meine Hände.
Was haben sie getan, was unterlassen!
In ihnen liegt mein Tun, mein Lieben und mein Hassen.
Es ist, als ob mein Leben ich in ihnen fände.

Alle Vergangenheiten fließen durch die Poren,
was wir erstrebten und was wir verspielten,
was wir gewonnen haben und was wir verloren.

Und unsere Hände, sie begriffen, wenn wir fühlten, wenn wir zielten!
Oft leben wir getrennt, einsame Toren.
Wie wäre es, wenn wir uns an den Händen hielten?

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Sonette

Alabasterfigur Diskuswerfer, Teilansicht

Porzellanfigur T. v. Waldenfels, Teilansicht

Ufer

Ufer ist das, was trennt.
Ufer ist das, was verbindet.
Und so ist das Ufer jenes Stück Land,
das ist wie das Wort.
Und die Hand.

Gisela Munz-Schmidt

Aus dem Lyrikbildband Wege zum See, Verlag Stadler, Konstanz

Gisela Munz-Schmidt Relief ohne Titel, Keramik