Lyrik vom Bodensee

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Im Herbst

Sonnenblumen Aquarell von Sibylle Buderath
Im Herbst

Wenn die Sonne durch die Nebel bricht,
wenn das Licht Trauer, Trübe, Dunkel überwindet,
wenn die Wärme ihren Weg durch die Morgenkühle findet,
wenn der Glanz dann auf den Wangen einer roten Rose liegt,
wenn ein unheilbarer Kranker endlich doch den Tod besiegt,
wenn ein heller schöner Falter sich um bunte Blumen wiegt,
wenn ein flinker freier Vogel fröhlich zwischen Bäumen fliegt,
wünsche ich, dass alles so
unverrückbar fest
für immer bliebe.
Denn das sind die Zeiten,
sind die Menschen,
Pflanzen und die Tiere,
die im Herbst ich liebe.

Gisela Munz-Schmidt
Aus Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz




Foto: Gisela Munz-Schmidt Munstead Wood

Die letzte Rose

Niemals und nie ist es die letzte Rose,
so wie aber auch immer jede die letzte sein könnte.

Gisela Munz-Schmidt

Frühblüher

Es blühen die Zärtlichen, Zarten.

Vorbei alles Warten.

Sonne wächst aus dem Garten.

Gisela Munz-SCHMIDT
Aquarell von Sibylle Buderath

„Denn das Kleine entzückt vor dem Großen,

und das Blau ist ewiger als das Rot.“

Gisela Munz-Schmidt
Violett

Ich mische kühles Blau
und warmes Rot,
und es entsteht auf der Palette
das Violette.
Die Farbe früher Veilchen,
des ersten Frühlings Lieder.
Die lila Aster spät im Jahr.
Und auch, wie wunderbar,
der Duft von frischem Flieder.

Gisela Munz-Schmidt


 
Das Veilchen

Warum lieb ich dich so?
Das Kleine?
Das Feine?
Das Reine?
Das Meine?
Weil ich mich bücken muss,
um das Entzücken zu erleben.
Weil ich den Duft liebe und die vielen Gedichte,
die sich mit dem Veilchen befassen.
Doch pflücken soll ich es nicht.
Ich will es für andere stehen lassen.

Gisela Munz-Schmidt 


Aquarell von Sibylle Buderath

Osterglocken

…wiegen sich im Wind
in der Wiese und im Park
wild und kultiviert…

Gisela Munz-Schmidt

Wie bekannt ist, heißen Osterglocken Narzissen, nach Narziss, einem griechischen Adonis. Ein Beau.

Narziss

An eines Sees oder Flusses Gestaden
zog er sich aus. Er wollte baden.
Im Wasser sah er sein Spiegelbild
verheißungsvoll lächeln,
betörend mild,
hinreißend wild,
mit gleichem maßlosen Begehren.
„Du bist so schön, ich liebe dich.“
Er wollte sich nicht wehren.
Und da versank er
in sich.
Er ertrank.

Gisela Munz-Schmidt

Am Ufer erblühten dann die ersten Narzissen.


Den Frühling finden

Die Sonne, die Wärme, die Osterglocken
wollen ins Freie und Weite dich locken.
In Gärten, zwischen Polstern und Blütenkissen,
wiegen sich die Prachtnarzissen.
Oder sieh doch! Diese
stehen heiter in der Wiese
mit leuchtendem Gelb und frischem Grün,
schau nur, wie sie üppig blühen!

Schnür deine Schuh und mach dich bereit:
Jetzt kommt die unbeschwerte Zeit!

Gisela Munz-Schmidt



Aquarell von Sibylle Buderath
Gänseblümchen

Erinnere dich:
Die Welt war weiß voll Schnee.
Aber alles weggeschmolzen,
fortgeweht und hingetaut,
und nun sehen wir,
entzückend und vertraut,
diese süßen kleinen Gänseblümchen
auf der grünen Wiese.

Gisela Munz-Schmidt 




Purpurne Blüten in unserem Garten:
Das ist Naturlyrik pur!

Primel
Alpenveilchen

Lenzrose

Fotos: Gisela Munz-Schmidt

Im Frühling am Bodensee

Aquarell von Sibylle Buderath
Aus dem Lyrikbildband Wege zum See, Verlag Stadler Konstanz
Frühling am See

Der Frühling kam fast über Nacht,
vertraut, ersehnt,
und schaut und lehnt
am Wiesenrand,
am Gartentor,
und alles steht in vollem Flor
und blüht in heller Pracht.

Die Welt kommt mir verändert vor,
verwandelt See und Land.
Der Frühling ist ein Zauberer.
Er herrscht mit leichter Hand.

Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Wege zum See
Aquarell von Sibylle Buderath
Veilchen 2016 16×20 cm
Frühlingsblumen blühen

Die Tage werden wärmer.
Aus Tieren und aus Menschen werden Schwärmer.

Himmelsschlüssel auf den Wiesen,
Tuffs und Horste roter Tulpen,
die in allen Gärten sprießen,
bunte Primeln, Osterglocken,
wie ins Weite, Freie sie Dich locken,
an geheim gehaltenen Stellen
blühen weiche Küchenschellen,
Mauern blauer Blütenkissen,
Beete gelber Prachtnarzissen,
Veilchen heben´ s Köpfchen aus den Grasverstecken,
und wie selbst die kleinsten Gänseblümchen
sich dem Licht zustrecken,
wie sie glühen und wie sie sich recken -

Die Tage werden länger.
Aus Tieren und aus Menschen werden Sänger.

Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz

„Wenn du mit einem Fuß auf sieben Gänseblümchen treten kannst, dann ist Frühling.“ Deutsches Sprichwort

“When you can tread on nine daisies at once, spring has come.“
English Proverb

Aquarell von Sibylle Buderath
Aus dem Lyrikbildband Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz
Gänseblümchen 

Erinnere dich:
Die Welt war voller Schnee.
Aber alles
weggeschmolzen,
fortgeweht
und aufgetaut
und nun sehen wir,
entzückend und vertraut,
diese
süßen kleinen Augensternchen
auf der grünen Wiese.

Gisela Munz-Schmidt



Willst du dich am Ganzen erquicken,

so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken.

Johann Wolfgang von Goethe

Man sollte alle Tage ein kleines Lied hören,

ein gutes Gedicht lesen,

ein treffliches Gemälde sehen und,

wenn es möglich zu machen wäre,

einige vernünftige Worte sprechen.

Johann Wolfgang von Goethe

Macht die Liebe, die Kunst jegliches Kleine doch groß.

Johann Wolfgang von Goethe

IM OKTOBER Pilzgedichte

Jaron mit einem besonderen Fundstück
Im Wald verborgen an heimlichem Platz
finden die Sucher ihren Schatz,
denn zwischen Moos und Flechtenfilz
wächst so mancher Speisepilz.
Finden macht Freude, gut essen auch,
deshalb ist Sammeln beliebter Brauch.

Es braucht ein wohltrainiertes Auge,
ob so ein Pilz zum Essen tauge,
denn wenn man einen Falschen trifft,
ist dieser innen voller Gift!
Es würd im Magen richtig flau,
genöss man Trichterling Nebelgrau,
und auch der braune Strubbelkopf
soll nicht in einen Suppentopf!
Bringe ja nicht auf den Tisch
den Pilz gleich einem Tintenfisch.
Es wächst auch giftig stolz und bitter
am End der Violette Ritter!
Du solltest auf keinen Fliegenpilz fliegen, 
denn du könntest üblen Krämpfen erliegen.
Siehst Stinkmorcheln du und das Hexenei,
geh wie auch beim Satansröhrling schnellstens vorbei!

Sieht einer aber aus wie Stein,
schmeckt er gebraten köstlich fein,
und wenn ich ganz genau hingucke,
seh ich im Klee die Krause Glucke,
zu Hause gesäubert, mit Eischaum  garniert,
danach gebacken oder frittiert.
Saftlinge - paniere sie und brate,
seien sie kegelig oder rot wie Granate,
und wie ein Kuhmaul, feucht vom Schlecken,
kannst du den Kuhmaulpilz dir lassen schmecken.

Vom Walde draußen, alles frisch,
landen die Pilze auf unserem Tisch.
Wir finden sie in Forst und Flur,
feine Geschenke der Mutter Natur!

Gisela Munz-Schmidt

Für alle Pilzfreundinnen und Pilzfreunde, besonders aber für Sibylle und unsere Nachbarin Ully, für Christian und Jaron und meine verstorbene Schwester Brigitte, die das “Pilzauge“  hatte!



Henry und Ruby und ein schöner Steinpilz!
Schwammerln

Gelbe Pfifferlinge in der Pfanne,
das duftet nach Waldspaziergängen
und nach Kindheit,
als ich noch klein war
und froh,
einen Steinpilz
von einem Pfifferling
unterscheiden zu können
und beide richtig benennen.

„Schwammerln“,
sagte mein Vater,
in der Steiermark geboren,
und meine schwäbische Mutter sagte:
„So, jetzt isch alles in Butter,
und drüber für jeden ein Ei.“

Gisela Munz-Schmidt 



Ich wünsch dir Glück,
doch lass es bleiben,
dir dieses Glück einzuverleiben!

IM OKTOBER Wein und Füllhorn

Im Wein

Eines ganzen Sommers volles Leben
wächst in den Reben.
Sonne, Wind und Hitze,
Regen, Hagel, Blitze,
mancher Tage Schwüle,
mancher Nächte Kühle,
die leichten Stunden,
die schweren,
das alles liegt in den Beeren.
Nach dem Lesen
kommt das Wesen
der Zeiten
ins Glas hinein.
Und du schmeckst,
wie das Jahr war,
im Wein.

Gisela Munz-Schmidt
Rudolf Munz
Stillleben mit Zitronen , Weinglas und Kerze , Detail,
Öl, 1995
In vino veritas

Wein wärmt und mundet
und rundet
den Tageslauf.
Erinnerungen blitzen auf
von neuen und von alten Zeiten,
so gleiten
sie selig und sacht
hinüber in die Dämmerung und in die Nacht.

Gefühle und Gedanken zerfließen.
Im Wein die Wahrheit suchen?
Die Macht der Sucht verfluchen?
Die Wahrheit liegt zwischen den Zeilen.
Das Glück liegt im Verweilen
und im wohltuenden Genießen.

Gisela Munz-Schmidt
Ernte aus dem eigenen Garten
Veränderung 

Es ist eine andere Wärme,
die aus dem Kühlen entsteht.
Es ist ein anderer Wind, 
der jetzt den Herbst herweht.
Es ist eine andere Sonne,
mit weicheren, milderen Strahlen.
Und andere Farben sind es,
die Blüten und Blätter und Früchte malen.

Gisela Munz-Schmidt 



Das Füllhorn

Wenn du im Park spazieren gehst,
die bunten Blätter unter deinen Füßen,
die Statue siehst am Wegesrand,
mit einem Füllhorn übergroß in Arm und Hand  -

Ein Füllhorn, nein,
ist nie aus Stein!

Aus warmen Händen ist es,
weicher Haut,
lebendiger Stimme,
die dir wohl vertraut,
und auch aus Augen, 
die dir Liebe lächeln
und dich grüßen.

Gisela Munz-Schmidt

IM SEPTEMBER

Nashibirne in unserem Garten,
die einzige in diesem Jahr 2022
Die Birne

So ein sanftes Gelb.
Im Frühling flog ein Falter,
ließ seine Farbe als Erinnerung.

So ein sanftes Gelb.
Im Sommer schien die Sonne,
ließ ihre Farbe als Erinnerung.

So ein saftig-sanftes Gelb.
Im Spätjahr ist die Frucht nun reif und zart.
Und Falter und Sonne sind wieder Gegenwart.

Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Bäume am Weg, Verlag Stadler, Konstanz
Sonnenblume
Helianthus annuus
Herbstgedanken

Mit den Schwalben südwärts ziehen?
Mit den Blättern treiben?

Volle Körbe roter Äpfel stehn im Garten,
blaue Trauben warten,
goldene Sonne spendet lächelnd ihren Schein.

Mit den Schwalben südwärts ziehen?
Mit den Blättern treiben?

Pflücken. Ernten. Zufrieden sein.
Süße genießen und bleiben.

Gisela Munz-Schmidt




Villeroy & Boch Luxembourg
Ein Herbsttag

Am kühlen Morgen
über feuchten Wiesen
weiße Nebelstreifen.

Doch mittags leuchten
Dahlien, Astern, Sonnenblumen,
und an den Bäumen siehst du,
wie die Früchte reifen.

Gisela Munz- Schmidt
Sibylle Buderath Aquarell in dem Lyrikbildband Bäume am Weg
Verlag Stadler, Konstanz
Sibylle Buderath Aquarell in dem Lyrikbildband Bäume am Weg
Verlag Stadler, Konstanz
Der Apfelbaum

Wie aus dem zarten rosenfarbenen Hauch
die feste rote Frucht wird,
die man greifen kann,

wie aus dem einen kleinen Kern
der große runde Baum wird,
den man messen kann,

wie aus dem schwachen grünen Zweig
der starke dunkle Ast wird,
den man fassen kann,

das sehe ich als 
unbegreiflich,
unermesslich,
als unfassbar 
an.

Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Bäume am Weg, Verlag Stadler, Konstanz

Tulpen

Tulpen und Bergenien, bei uns im Hof

Tulpe

In Turkestan geboren,

in den Niederlanden erzogen,

bringst du mich auf viele Gedanken,

die sich um Höhen und Tiefen,

Osten und Westen,

Zwiebel und Blüte

und um den Frühling ranken.

Gisela Munz-Schmidt

aus: Lieblingsblumen im Jahr

Zeichnung von Marlene Thomsen
in dem Gedichtband Lieblingsblumen im Jahr

Sibylle Buderath Tulpen und Rosen
Sibylle Buderath
Frühlingsstrauss , Detail
Sibylle Buderath
Tulpen, Detail
Gisela Munz-Schmidt
aus: Lieblingsblumen
Tulpen 

Osten und Westen
vereint in hundert Farben
in tausend Gärten.

Gisela Munz-Schmidt
Haiku
Buntes Tulpenband
am Straßenrand
in Überlingen, 2021

Rote Tulpen an der Promenade in Überlingen, 2021
Tulpe auf unserem Balkon, 2022
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