Bevor sie wächst und blüht und Früchte trägt, treibt sie, damit kein Sturm sie legt, kein Wetter sie erschlägt, den langen Wurzelpfahl tief in den Grund.
Dann jubelt sie den Frühling ein in vollen roten Blütenglocken, kräftig und unerschrocken, und spät im Herbst sind ihre Samen glänzend, glatt und rund.
Gisela Munz- Schmidt Aus: Bäume am Weg, Verlag Stadler
Aquarell von Sibylle Buderath, KastanienblütenFoto: Gisela Munz-Schmidt, Kastanienblüte in Überlingen, April 2025
Ich mische kühles Blau und warmes Rot, und es entsteht auf der Palette das Violette. Die Farben früher Veilchen. Des ersten Frühlings Lieder. Die lila Aster spät im Jahr. Und dann, wie wunderbar, der Duft von frischem Flieder.
Gisela Munz- Schmidt Aus: Lieblingsblumen
Mein Polsterphlox blüht!
Die Mischung macht‘s
Aus dem Blau des Himmels und dem Rot der Erde wird hier die Farbe, die mit ihrem Reiz und Schimmer an beides erinnert, und zweideutig gelten verzaubernd wie immer die Zwischenwelten.
Gisela Munz-Schmidt
Veilchen und Rosen
Wenn du jetzt nicht kommst, verblühen die Veilchen. Wenn du dann nicht kommst, verwelken die Rosen - und alles Blau und alles Rot war da umsonst.
Wie bekannt ist, heißen Osterglocken Narzissen, nach Narziss, einem griechischen Adonis. Ein Beau.
Narziss
An eines Sees oder Flusses Gestaden zog er sich aus. Er wollte baden. Im Wasser sah er sein Spiegelbild verheißungsvoll lächeln, betörend mild, hinreißend wild, mit gleichem maßlosen Begehren. „Du bist so schön, ich liebe dich.“ Er wollte sich nicht wehren. Und da versank er in sich. Er ertrank.
Gisela Munz-Schmidt
Am Ufer erblühten dann die ersten Narzissen.
Sonnengoldene Narzissen, wie sie es wissen, wann die rechte Zeit ist, denn alles im Leben hat seine Zeit, sagt der Prediger Salomo, und jede Narzisse weiß es auch.
Warum lieb ich dich so? Das Kleine? Das Feine? Das Reine? Das Meine? Weil ich mich bücken muss, um das Entzücken zu erleben. Weil ich den Duft liebe und die vielen Gedichte, die sich mit dem Veilchen befassen. Doch pflücken soll ich es nicht. Ich will es für andere stehen lassen.
Gisela Munz-Schmidt
Aquarell von Sibylle Buderath
Osterglocken
…wiegen sich im Wind in der Wiese und im Park wild und kultiviert…
Gisela Munz-Schmidt
Den Frühling finden
Die Sonne, die Wärme, die Osterglocken wollen ins Freie und Weite dich locken. In Gärten, zwischen Polstern und Blütenkissen, wiegen sich die Prachtnarzissen. Oder sieh doch! Diese stehen heiter in der Wiese mit leuchtendem Gelb und frischem Grün, schau nur, wie sie üppig blühen!
Schnür deine Schuh und mach dich bereit: Jetzt kommt die unbeschwerte Zeit!
Gisela Munz-Schmidt
Purpurne Blüten in unserem Garten: Das ist Naturlyrik pur!
Ich weiß, es ist zu früh für Rosen, jahreszeitlich.
Aber es ist nie zu früh oder zu spät, die Fülle zu fühlen oder durch neue Pforten zu gehen. Überall und irgendwo stehen Türen offen.
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Ausweg
Kalter Regen
schnitt in alte Spinnweben
und bleiern bleckte
der Asphalt.
Da lief ich
und holte mir
einen Arm voll
Rosen.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Kleine Gedichte Große Gefühle
Liebe
Geh doch zu den Rosen,
wenn du wissen willst,
was Liebe ist.
Sich öffnen.
Sich verströmen.
Sein Äußerstes
und Innerstes geben.
Trotz Regen und Sturm und Wind
für die Sonne leben.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Kleine Gedichte Große Gefühle
Aquarell von Sibylle Buderath Aus dem Lyrikbildband Wege zum See, Verlag Stadler Konstanz
Frühling am See
Der Frühling kam fast über Nacht,
vertraut, ersehnt,
und schaut und lehnt
am Wiesenrand,
am Gartentor,
und alles steht in vollem Flor
und blüht in heller Pracht.
Die Welt kommt mir verändert vor,
verwandelt See und Land.
Der Frühling ist ein Zauberer.
Er herrscht mit leichter Hand.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Wege zum See
Aquarell von Sibylle Buderath Veilchen 2016 16×20 cm
Frühlingsblumen blühen
Die Tage werden wärmer.
Aus Tieren und aus Menschen werden Schwärmer.
Himmelsschlüssel auf den Wiesen,
Tuffs und Horste roter Tulpen,
die in allen Gärten sprießen,
bunte Primeln, Osterglocken,
wie ins Weite, Freie sie Dich locken,
an geheim gehaltenen Stellen
blühen weiche Küchenschellen,
Mauern blauer Blütenkissen,
Beete gelber Prachtnarzissen,
Veilchen heben´ s Köpfchen aus den Grasverstecken,
und wie selbst die kleinsten Gänseblümchen
sich dem Licht zustrecken,
wie sie glühen und wie sie sich recken -
Die Tage werden länger.
Aus Tieren und aus Menschen werden Sänger.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz
„Wenn du mit einem Fuß auf sieben Gänseblümchen treten kannst, dann ist Frühling.“ Deutsches Sprichwort
“When you can tread on nine daisies at once, spring has come.“
English Proverb
Aquarell von Sibylle Buderath Aus dem Lyrikbildband Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz
Gänseblümchen
Erinnere dich:
Die Welt war voller Schnee.
Aber alles
weggeschmolzen,
fortgeweht
und aufgetaut
und nun sehen wir,
entzückend und vertraut,
diese
süßen kleinen Augensternchen
auf der grünen Wiese.
Gisela Munz-Schmidt
Willst du dich am Ganzen erquicken,
so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken.
Johann Wolfgang von Goethe
Man sollte alle Tage ein kleines Lied hören,
ein gutes Gedicht lesen,
ein treffliches Gemälde sehen und,
wenn es möglich zu machen wäre,
einige vernünftige Worte sprechen.
Johann Wolfgang von Goethe
Macht die Liebe, die Kunst jegliches Kleine doch groß.
Nashibirne in unserem Garten, die einzige in diesem Jahr 2022
Die Birne
So ein sanftes Gelb.
Im Frühling flog ein Falter,
ließ seine Farbe als Erinnerung.
So ein sanftes Gelb.
Im Sommer schien die Sonne,
ließ ihre Farbe als Erinnerung.
So ein saftig-sanftes Gelb.
Im Spätjahr ist die Frucht nun reif und zart.
Und Falter und Sonne sind wieder Gegenwart.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Bäume am Weg, Verlag Stadler, Konstanz
Sonnenblume Helianthus annuus
Herbstgedanken
Mit den Schwalben südwärts ziehen?
Mit den Blättern treiben?
Volle Körbe roter Äpfel stehn im Garten,
blaue Trauben warten,
goldene Sonne spendet lächelnd ihren Schein.
Mit den Schwalben südwärts ziehen?
Mit den Blättern treiben?
Pflücken. Ernten. Zufrieden sein.
Süße genießen und bleiben.
Gisela Munz-Schmidt
Villeroy & Boch Luxembourg
Ein Herbsttag
Am kühlen Morgen
über feuchten Wiesen
weiße Nebelstreifen.
Doch mittags leuchten
Dahlien, Astern, Sonnenblumen,
und an den Bäumen siehst du,
wie die Früchte reifen.
Gisela Munz- Schmidt
Sibylle Buderath Aquarell in dem Lyrikbildband Bäume am Weg Verlag Stadler, KonstanzSibylle Buderath Aquarell in dem Lyrikbildband Bäume am Weg Verlag Stadler, Konstanz
Der Apfelbaum
Wie aus dem zarten rosenfarbenen Hauch
die feste rote Frucht wird,
die man greifen kann,
wie aus dem einen kleinen Kern
der große runde Baum wird,
den man messen kann,
wie aus dem schwachen grünen Zweig
der starke dunkle Ast wird,
den man fassen kann,
das sehe ich als
unbegreiflich,
unermesslich,
als unfassbar
an.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Bäume am Weg, Verlag Stadler, Konstanz