Gedanken auf der Rheinbrücke nach Straßburg En avant, vorwärts, dein Großvater, mein Vater, sie marschierten, Gleichschritt Marsch, Bajonette gezückt, Panzer. Über dem Rhein war der Feind. Der Feind? Ich kann es mir Gottseidank nicht mehr vorstellen. Ich fahre über die Rheinbrücke. Nur Vorfreude! Auf die schöne Stadt. Die strahlende Gotik. Die elegante Sprache. ( Und auch meine Sprache ist schön, auch meine Gotik stolz, ich liebe auch meine Städte.) Unser Rhein. Eine unserer Lebensadern. Einmal möchte ich mitten auf der Rheinbrücke anhalten und aussteigen. Warten, bis alle Insassen der anderen Fahrzeuge auch mit mir am Geländer stehen, Franzosen, Deutsche, Reisende aus aller Herren und Frauen Länder. Mit ihnen gemeinsam glücklich den Flusslauf sehen, erkennen und jubeln: Weggeschwemmt endlich alles Blut! Hier fließt lebendiges Wasser durch Europa. Gisela Munz- Schmidt
Kind der Erde Meine Arme spann ich von der Taiga bis an Frankreichs schöne Küste. Meine Wurzeln treiben unter all den vielen Inseln, und am großen Himalaja bette ich mein Haupt. Afrika ist meine Wiege, in die Anden komme ich am Abend, und im weiten Reich der Mitte liegt mein Kunstverstand. Dort am Kap siehst du mich tanzen, hörst mein Lachen tief in Georgia und in Sydney gib mir deine Hand. Ich bin ein Kind der großen Mutter Erde, und alle ihre Kontinente sind mir gleich vertraut. Und rot und schwarz und gelb und weiß und braun ist meine Haut. Gisela Munz-Schmidt Aus: Gedichte gegen Gewalt
Children of the Earth
From the boreal Taiga to the rivers of France,
from Australia’ s reefs to the African dance,
from Asian heights to America’s plains,
from British gardens to Caribbean canes,
from Egyptian Art to India’ s wonder,
from high Andean Mountains to the oceans down under,
from the snows of a mighty Swiss mountain slope
to the southern waters of the Cape of Good Hope,
from China’s Great Walls
to Victoria Falls –
We are living here, regardless of birth,
we all live as children of a wonderful Earth,
we all are humans, the next of kin,
with red, black, white, brown, yellow of skin.
Gisela Munz- Schmidt
Schlange und Taube Mein Gefühl sandte ich aus wie eine Schlange, die den Grund erspürt gleitend und meine Gedanken wie eine Taube, der am Himmel nichts entgeht, und rief sie beide zurück: „Was habt ihr erfahren, gesehen?“ “Gewalt und Grausamkeit und Blutgericht“, die Schlange spricht. Die Taube sagte:“Nein. Das sah ich nicht. Bei Tag und in der Nacht sah ich ein großes Licht.“ Gisela Munz-Schmidt Aus: Gedichte gegen Gewalt
Die Taube Und wieder steigst du auf wie eine weiße Fahne aus Meeren dunklen Bluts zerstückter Leiber und schwebst. Wie lange dieses Mal? Doch eine wichtige Weile als ein Zeichen: So könnte es, wenn wir nur alle wollten, für immer sein. Gisela Munz-Schmidt Aus: Gedichte gegen Gewalt
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