Lyrik vom Bodensee

Kategorie: Mitten im Leben

Licht und Schatten oder Das ganze Bild

Foto: Ulrich Griestock

Immer gibt es auch die andere Seite,
so wie Tag und Nacht,
Sonne und Mond.
Wer in Enge lebt, sucht das Weite.
Wer im Hellen steht, bleibt vom Düsteren nicht verschont.
Freundschaft und Trennung,
Frieden und Krieg,
Liebe und Hass,
Verlust und Sieg.
Das Heitere wandelt sich ins Ernste,
Unbefangenheit wird bedroht,
Vertrauen ist gefährdet durch Missbrauch,
aus Lebendigkeit wird Tod.

So will ich das aber nicht enden lassen.
Ich will Tag um Tag, Nacht um Nacht,
alles und jedes dazwischen erfassen.

Gisela Munz-Schmidt

Entsprechungen

Foto: Gisela Munz-Schmidt Es passiert was am Himmel

Entsprechungen

Es schießt eine Kraft ein
über die Berge
und jagt die Wolken über den Horizont
wie zitternde Schafe.

Belle ich mit
oder werd ich getrieben?
Etwas brüllt laut in mir auf,
während ein anderes flieht.

Gisela Munz-Schmidt
Fernweh

Mit den Wolkenschwestern ziehen können,
wilde Nomadinnen der Luft.
Den Wechsel uns anverwandeln.
Statt gehen, tun und ruhen
schweben und wirken und handeln.

Gisela Munz- Schmidt
Stille

Ich lege mich mit dem Wind
schlafen,
in ein Schiff.
Es ist ganz leer.
Ruhig im Hafen.
Uns,
die wir erst uns trafen,
gibt es nun beide nicht mehr.

Gisela Munz-Schmidt

Ein Liebesgedicht

Der Falke und das Marmorbild

Sie war aus Marmor 
und war fein und zart und hielt die Hand aus,
und da stieß er nieder,
aus Rot und Gold ein stiebendes Gefieder
und saß
vollendet wie ein freier fester Traum.

So war es immer wieder.
Er flog die Kreise
am Tag im wilden Raum
nach Falkenvogelweise
und kam in selber Art auf ihre Hand zurück
und schüttelte den Regen aus den Federn,
den Staub, das Laub, den Abendtau.

Man sagt, des Nachts,
ich weiß es nicht genau,
wurd aus dem Falk ein Mann
und aus dem stolzen Marmorbilde schälte sich
die warme Frau.
Ihr Name oder seiner
war Glück.

Mehr weiß ich nicht,
es ist schon lange her.
Ich weiß gewiss nicht mehr.

Gisela Munz-Schmidt




Hände

Foto: Georg Schmidt, April 2023, Ausschnitt

Unsere Hände

Ich sehe eine Hand, seh´, wie sie sucht.
Sie tastet über Ecken, Kanten, Bogen,
als wäre sie von Grenzen angezogen,
voll Unrast, wie ein irrer Geist, verflucht.

Ich blicke stumm auf meine Hände.
Was haben sie getan, was unterlassen!
In ihnen liegt mein Tun, mein Lieben und mein Hassen.
Es ist, als ob mein Leben ich in ihnen fände.

Alle Vergangenheiten fließen durch die Poren,
was wir erstrebten und was wir verspielten,
was wir gewonnen haben und was wir verloren.

Und unsere Hände, sie begriffen, wenn wir fühlten, wenn wir zielten!
Oft leben wir getrennt, einsame Toren.
Wie wäre es, wenn wir uns an den Händen hielten?

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Sonette

Alabasterfigur Diskuswerfer, Teilansicht

Porzellanfigur T. v. Waldenfels, Teilansicht

Ufer

Ufer ist das, was trennt.
Ufer ist das, was verbindet.
Und so ist das Ufer jenes Stück Land,
das ist wie das Wort.
Und die Hand.

Gisela Munz-Schmidt

Aus dem Lyrikbildband Wege zum See, Verlag Stadler, Konstanz

Gisela Munz-Schmidt Relief ohne Titel, Keramik

Die Sonne geht nicht unter

Die Sonne

Ein großer Feuerball
im kalten All,
das Leitgestirn, die Sonne.
Brand, Hitze, Feuersbrunst,
doch Leben auch und Wonne.
Nur durch den Sonnenstern
wächst jeder Samen, jeder Keim und jeder Kern.

Ich bin mitnichten
der erste Mensch, der sie verehrt
und bittet um die Gunst,
dass sie uns scheint 
und wiederkehrt.
Überall gibt es Geschichten und Sagen.
Die Göttin! Ein Gott in einer Barke oder einem Wagen, 
der in einem hohen Bogen,
von Pferden oder Drachen fortgezogen,
über unseren Himmel fährt.
Aufgestiegen, hinabgesunken,
in warmen Strahlen und glühenden, glänzenden Funken.

Und auch in mir
ist das Sonnengeflecht
und in dir...

Gisela Munz- Schmidt

VERBINDUNGEN

Mitten in der Nacht
bin ich am Mondschein aufgewacht.
Die Sonne
sendet mir Grüße.

Gisela Munz-Schmidt  
Vollmond in Owingen
Schmuck aus Ghana
Ausschnitt

Die Sonne

Und jeden Morgen steigt sie aus dem Meer,
um ihren Tageslauf von neuem anzutreten.
Sie ist so schön. Ich möchte sie anbeten
und liebe sie wie eine Göttin sehr.

Doch ahn ich ihre Unerbittlichkeit und ihre Strenge,
als könne sie in einem harten Zorn
uns und das ganze Land zerstören und verdorrn,
als geißele sie und brenne sie und senge.

Ein jeder Tag beginnt jedoch, als ob sie neu mich lade
an ihren Tisch der Wärme und der Gnade:
Sie hat uns alles gut bereitet.

Da bin ich, ihre Tochter, mit ihr und ihrem treuen Gatten,
dem ruhigen stillen dunklen Schatten,
der sie auf ihrem runden Gang begleitet.

Gisela Munz-Schmidt 
Sonett
Kleine Replik des Diskuswerfers von Myron
aus Alabaster in unserem Regal

Wechselwirkungen

Ich bewege etwas.

Es bewegt mich.

Ich berühre etwas.

Es berührt mich.

Ich treibe etwas voran.

Es treibt mich um.

Ich ergreife etwas.

Ich bin ergriffen.

Gisela Munz-Schmidt

„ POST NUBILA PHOEBUS“

( Nach Wolken Sonne )

Lateinisches Sprichwort

„AUF REGEN FOLGT SONNENSCHEIN“

Deutsches Sprichwort
Regression und Neuanfang

Wenn ich in den Mondschatten gleite
und ich schlafwandle,
träume statt handle,
die Flügel ausbreite,

wenn ich Lautes und Grelles meide,
in Sümpfen wate,
aus Schritt und Tritt gerate
und an mir selber leide,

wenn mich das Dunkle umweht wie eiskalter Wind,
bin ich ein hilfloses Kind,
das einsam greint,

bin ich, wie Sterbende sind,
um die keiner weint,
bis wieder, aus Wolken, die Sonne scheint.

Gisela Munz-Schmidt 
Sonett


Strauchpäonienblüte in unserem Garten

OFFENE SEE

Offene See

Glänzende Gischt der Gegenwart!
Weite Wellen,
welche an endlosen Stränden versanden.
Albatrosflug.
Äneasfahrt.
Irgendwann
irgendwo
landen.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Kleine Gedichte -Große Gefühle
Lesezeichen
Aquarell von Marita Hornberger

LIEBE

Wachsmalerei von HENRY 03.25.2022

Liebesgedicht

Die Nähe zu dir
ist mein Sinn.
Du bist hier
bei mir,
und ich bin.

So einfach wird das:
Ein Wunder. Kein Fragen.
In guten wie in schlechten Tagen.

Ich könnt‘ auch allein sein:
ein Solotanz.
Doch wir bleiben zusammen,
und so fühl‘ ich mich ganz.

Gisela Munz-Schmidt 
2022
Paare , Keramiken von Roswitha Schnitzer
Pastell von Johanna 96

Ich habe noch mehr Paare in unserem Haus gefunden, eine kleine Auswahl, Kunst bis Kitsch, alles dabei wie im wirklichen Leben.

Buchstützen Messing Katzen
Buchstützen Messing Gänse
Porzellanfigur Rosenthal Raymond Peynet
Paar aus unserer antiken Puppenstube
Yin und Yang

Oh ja die Sonne 
und zwischen den Sternen segeln!
Aber das Wasser und das Land, 
deine Augen und meine Hand,
Nehmen und Geben,
Ergänzungen prägen das Leben.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Kleine Gedichte -  Große Gefühle 
Der Reim

Ich mag den Reim wie eines Freundes Hand.
Ich mag die Frage, welche eine Antwort fand.
Ich mag das Bündel und das Band.
Ich mag den runden und achatpolierten Rand.
Ich mag das Paar, das heute an dem Strand
ganz eng umschlungen beieinander stand.
Ich mag das Wasser und das Land.
Ich mag den Reim.

Gisela Munz-Schmidt 
Aus: Kleine Gedichte -Große Gefühle
Marita Hornberger
Einladungskarte zu ihrer Ausstellung in Friedrichshafen 2007

Was ist eigentlich die Wirklichkeit?

Liebe

Geh doch zu den Rosen, 
wenn du wissen willst, 
was Liebe ist.
Sich öffnen. Sich verströmen.
Sein Äußerstes 
und Innerstes geben.
Trotz Regen, Sturm und Wind
für die Sonne leben.

Gisela Munz- Schmidt
Aus: Kleine Gedichte -  Große Gefühle



Gehen und Verstehen

Zeichnung von Marlene Thomsen
Aus: Erfüllung finden
Gehen und Verstehen

Wie hätt‘ ich das gebraucht:
mich ganz versenken.
Kein Überlegen und kein Zögern und kein Denken.
Wie gerne wär‘ ich auf den Grund hinabgetaucht.

Wie gerne wär‘ ich einfach abgeschwebt,
wär‘ wie ein Vogel losgezogen
und wäre einfach abgehoben.
Wie gerne hätt‘ ich unbewusst gelebt.

Zu leben ist ganz anders, als ich dachte.
Ich kann nur gehen, Schritt für Schritt,
und nur erweitern, wo ich einen Anfang machte.

Ich muss erfahren, wo ich lief und wo ich glitt,
ausloten, wann ich weinte, wann ich lachte, 
denn mein Verstand und meine Füße müssen mit.

Gisela Munz-Schmidt
Sonett
Aus:  Kleine Gedichte - Große Gefühle
Zeichnung von Marlene Thomsen
Aus :Erfüllung finden
Fortschritt

Ihr, meine Träume,
steht alle Spalier!
Lasst mich durch euch gehen,
zuerst mit tastenden Füßen,
dann sicheren Schritts,
in die Wirklichkeit.

Gisela Munz-Schmidt 
Aus: Kleine Gedichte - Große Gefühle

Hoffnung

Wie ein Goldwäscher
siebe ich 
Wörter
aus dem Sand.
Ein Nugget.
Ein Klümpchen Hoffnung,
es wäre
die Wahrheit.

Gisela Munz-Schmidt
Lesezeichen
mit Malerei von
Marita Hornberger

Gelassenheit

Tu doch den Wörtern nicht - 
so wie nichts und wie niemandem -
Gewalt an:
Sie stellen sich ein,
so wie Wind sich fügt um ein Blatt
oder wie Wasser,
das ruhig und lächelnd spielt an Gestein.

Gisela Munz -Schmidt 

Was mir wichtig ist

Blumensträuße aus einem Garten.
Spaziergänge zu jeder Jahreszeit.
Menschen und Liebenswürdigkeit.
Überraschungsfahrten.

Das Wirken großer Bäume.
Alte und neue Reime.
Saaten, Sprösslinge, Keime.
Das Wachsen in Träume.

Am Himmel die Sterne.
Hier die Farben.
Nähe und Ferne.

Verheilte Narben.
Früchte und Garben.
Und dass ich zu leben lerne.

Gisela Munz-Schmidt 
Sonett

Willkommen auf meiner HomePage! „Ein Lese – und Bilderbuch“




Liebe Besucherinnen und Besucher meiner HomePage!

Seit April 2022 hat mir unser Sohn Georg diese HomePage eingerichtet, auf der ich für alle Menschen, die sich für meine Lyrik interessieren, immer wieder Beiträge aus meinem großen Fundus an publizierten und unveröffentlichen Gedichten und Texten einstellen kann.

Glücklicherweise habe ich immer mit Malerinnen und Malern aus meinem Freundeskreis zusammengearbeitet, so dass ich die Texte meistens anschaulich ergänzen kann und darf.
Außerdem fotografiere ich ganz gerne und versuche so, Beobachtungen nicht nur in Worten festzuhalten.

Ich begreife meine HomePage als Lese-und Bilderbuch und freue mich, wenn Du/Sie/Ihr darin blättert und vielleicht etwas entdeckt, was Dich/Sie/Euch anspricht.
Für Kommentare bedanke ich mich schon mal im voraus !

Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen für alle meine Leserinnen und Leser!

Die folgenden Worte aus dem Stundenbuch von Rainer Maria Rilke, das ich als Schülerin freiwillig fast ganz auswendig gelernt habe, stellen gleichsam ein Lebensmotto dar, das sich auch in meiner Lyrik wiederspiegelt:

„Lass dir alles geschehen:

Schönheit und Schrecken.

Man muss nur gehen:

Kein Gefühl ist das fernste.“

Rainer Maria Rilke

Deshalb steht auch hier in meinen Gedanken und Gedichten die Schönheit der Natur neben den Schrecken des Krieges.

Der Kreis

Ich liebe das Eis,
wenn es schmilzt, 
denn ich liebe
Wärme und Wasser,
und ich lebe 
den Kreis.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Kleine Gedichte - Große Gefühle
Sankofa Bronzeanhänger aus Ghana
Der Vogel steht als Symbol
für das Lernen aus der Vergangenheit
für eine bessere Zukunft

Gisela Munz-Schmidt
Selbstporträt
Keramik