Lyrik vom Bodensee

Kategorie: Klänge

Das Wort

Zutritt verboten

Erkenntnis erlaubt

Foto: Dr. Werner Schmidt

Das Wort

“Es ist das Tor, durch das du schreitest…“

Das Wort ist der Klang,

den du verstehst, erfasst, begreifst ,

mit dem du lebst, an dem du reifst.

Das Wort ist Gesang.

Das Wort ist die Hand und gleicht der Tat.

Es ist das Pferd, auf dem du reitest.

Es ist das Brett, auf dem du gleitest.

Das Wort ist Bekenntnis, Geständnis, Verrat.

Das Wort ist Verstand und Dummheit zugleich.

Es ist arm. Es ist reich.

Es ist Verlust und ist eine Gabe.

Das Wort ist der Bote und ist der Träger.

Es ist das Opfer und ist der Schläger.

Es ist Würde und Wonne und Gut und Habe.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Sonette

Dieses Gedicht durfte ich groß an die Wand des Aufenthaltsraumes im Staufer-Gymnasium Pfullendorf schreiben.

Weitere Variationen über das Wort liegen in kalligraphischen Versuchen vor:

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Foto: Dr. Werner Schmidt

Wunsch

Am liebsten schriebe ich
in Klängen nur und Zeichen.
Die weichen Wörter nähme ich
und sagte sie mit halbgeschlossenen Augen
und fühlte Kräfte unter ihnen taugen
und Farben sängen drüber hin,
und endlich wüsste ich, wer du bist, wer ich bin.
Und ich verstände endlich, was das ist: Die Liebe.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Gedichte gegen Gewalt

Klänge

Horst Müller
Vehement
Öl
Klänge

Vor dem Wort war der Klang,
war der Urlaut, Wohllaut, war Gesang,
war das Schwirren, Surren, Sirren und das Klirren,
war das Summen, Knarren, Knarzen und das Brummen,
war das Schnarren, Rauschen, Raunen und das Murmeln,
war das Dröhnen und das Stöhnen und das Brausen,
war das Weinen und das Heulen und das Greinen,
war das Juchzen und das Schluchzen,
war das Fiepsen und das Piepsen,
war das Knistern und das Zischen,
war der Rhythmus und die Stimme und der Takt,
war der Schlag, der treibt und packt,
war das Klagen einer Flöte, war das Rufen eines Hornes,
war das Cymbal, war der Schall.

War das Wispern, Lispeln, Flüstern,
war das Stampfen, Pfeifen und das Klopfen,
war das Pochen und das Wirbeln,
war das Zupfen und das Streichen,
war das Quietschen und das Wimmern und das Rasseln,
war das Grölen und das Nölen,
war das Säuseln und das Prasseln,
war das Schnurren und das Knurren,
war das Trillern und das Tirilieren,
war der Knall und der Prall,
war das Rütteln und das Stoßen,
war das Schütteln und das Hämmern,
war das Gurren, Gellen, Jammern und das Jaulen,
war der erste Schrei:

Und nichts ist vorbei.
Wir erinnern's noch,
in unseren Knochen und in unseren Poren,
wissen alles,
nichts ging unterwegs verloren,
und wir spüren's in den Adern und in den Membranen,
da tönt uns noch die Trommel unserer Ahnen,
und wir fühlen es tief unter unserer Haut -
Klänge sind uns urvertraut.

Gisela Munz-Schmidt