Lyrik vom Bodensee

Autor: Gisela Munz-Schmidt (Seite 1 von 10)

WASSER

Foto: Gisela Munz-Schmidt, Stufen zum Bodensee in Überlingen, August 2025
Mein Element

Das wilde Wasser ist mein Element,
wenn’s hoch in tausend Tropfen schlägt,
weil es mich nimmt und es mich kennt,
weil es mich hält und weil‘s mich trägt.

Das milde Wasser ist mein Element,
wenn‘s weich mir um die Füße spielt,
wenn‘s zärtlich an die Brust mir zielt
und weil‘s, was brennt, mir kühlt.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See, Verlag Stadler Konstanz


Viele weitere Gedichte zum Thema WASSER finden Sie unter Themen: Wege zum Wasser

Eine autobiographische Anmerkung dazu:

Als ich mit vierzig Jahren den Mut fasste, meine Gedankenfülle zu formulieren und Gedichte schrieb, rief mich meine pragmatisch orientierte schwäbische Mutter an und fragte: „Was machsch denn grad?“ Ich sagte, dass ich ein Gedicht geschrieben habe. „Hasch nix Rechts zu schaffe?“ fragte sie und erkundigte sich nach dem Thema. „Über Wasser“, sagte ich. „Bildesch du dir ein, dass dir dazu was Neues einfällt?“

Ich habe einfach weitergeschrieben.

Später, als ich ihr mein erstes Bändchen über Schmetterlinge geschenkt hatte, erzählte sie mir, dass sie die Gedichte immer wieder abends lese und schön finde.

Ich habe weiter geschrieben.


Mein Vater hat gemalt:

Gemälde: Rudolf Munz , 2001

Das Ritterfräulein von Hohenbodman

Foto: Gisela Munz-Schmidt Der Turm von Hohenbodman
Das Ritterfräulein von Hohenbodman

Um den Turm herum eine weiße Gestalt,
ein Ritterfräulein, die Sage ist alt,
erlag dereinst der Liebe Gewalt.
Ihren Liebsten sie fand
weit unter ihrem Stand.
Er hat, durch männliche Anziehungskraft,
den verbotenen Weg in ihr Herz geschafft.
Vielleicht hat er sie verehrt
und sie begehrt?
Vielleicht hat er sie gestreichelt
und ihr geschmeichelt?
Vielleicht hat er sie gerührt
und sie verführt?
Vielleicht hat er sie beschwört
und sie betört?
Jedenfalls konnte es ihm gelingen,
in ihr Innerstes vorzudringen.
Und so konnten die beiden in abgelegenen Verstecken
einander und ihre Liebe entdecken.

Diese Liebe jedoch war von kurzer Dauer,
ihre Brüder legten sich auf die Lauer
und ermordeten sie und ihn.
Unerlöst sieht man nachts um die Burg sie ziehn,
zuweilen auch einen feurigen Mann,
der noch vor Liebe brennen kann.

Gisela Munz-Schmidt
nach Theodor Lachmann






Ein anderes Gedicht von mir über diese Sage, die mich fasziniert, findet sich unter der Rubrik Sagen und Burgen, dazu auch einige interpretatorische Erläuterungen.

Warum diese Faszination?

  • Es ist eine Standesgeschichte.
  • Sie handelt von einem Ehrenmord.
  • Die Ermordeten sind die Wiedergänger.
  • Die Mörder kommen nicht weiter vor.
  • Die Liebenden müssen unerlöst spuken.

So viele Ungerechtigkeiten in einer einzigen Geschichte!

Die Zeit

Vera Reichert Sternenhimmel- Milchstraße, Öl auf Leinwand

Wie eine Walze

frisst sich die Zeit

durch meine Tage.

Entspringen will ich ihr,

entrinnen,

abheben und zwischen Sternen schweben,

mich einleben,

mich ausleben,

untertauchen und mich einwühlen

in alles Irdische,

spüren, fühlen,

und mich dann in die Büsche schlagen,

mich verstecken und mir wünschen,

dass sie uns nicht erfasst.

Gisela Munz-Schmidt

Erfahrung

Zeichnung von Marlene Thomsen
Aus: Erfüllung finden

Gehen und Verstehen

Wie hätt‘ ich das gebraucht:
mich ganz versenken.
Kein Überlegen und kein Zögern und kein Denken.
Wie gerne wär‘ ich auf den Grund hinabgetaucht.

Wie gerne wär‘ ich einfach abgeschwebt,
wär‘ wie ein Vogel losgezogen
und wäre einfach abgehoben.
Wie gerne hätt‘ ich unbewusst gelebt.

Zu leben ist ganz anders, als ich dachte.
Ich kann nur gehen, Schritt für Schritt,
und nur erweitern, wo ich einen Anfang machte.

Ich muss erfahren, wo ich lief und wo ich glitt,
ausloten, wann ich weinte, wann ich lachte,
denn mein Verstand und meine Füße müssen mit.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Sonette

Aufbruch



Ihr, meine Träume,
steht alle Spalier!
Lasst mich durch euch gehen,
zuerst mit tastenden Füßen,
dann sicheren Schritts,
in die Wirklichkeit.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Kleine Gedichte - Große Gefühle

Sagenwege in Billafingen, Hohenbodman, Owingen und Taisersdorf

Diesem Mann, dem Überlinger Arzt und Museumsgründer Dr. Theodor Lachmann, verdanken wir die Überlieferung der Sagen unserer Region, denn er veröffentlichte 1909 das Buch „ Sagen und Bräuche am Überlinger See“, in dem er die Geschichten so aufschrieb, wie sie ihm die Leute erzählt hatten.

Gisela Munz-Schmidt im Städtischen Museum in Überlingen neben seiner Büste

In einem Bürgerforum zur Gemeindeentwicklung 2011 in Owingen wurde der Wunsch laut, örtliche Sagen der Öffentlichkeit zu präsentieren, und im Jubiläumsjahr 2025 machte sich ein engagiertes Team an die Arbeit:

Hauptamtsleiterin Adelheid Hug ( links) leitete das Team und Jana von Eisenhart-Rothe ( rechts) organisierte die Umsetzung und zeichnet verantwortlich für die graphische Gestaltung.
Karl Stehle war als kompetenter Berater dabei, Dr. Angelika Thiel erfasste und formulierte die Originalsagen und die historischen Hintergründe, die per QR Code vermittelt werden, und Gisela Munz-Schmidt brachte die Sagen in Versform. ( Hier beim Prototyp fehlt die Textzeile „wurde die Glocke nicht mehr gefunden,“)

Die Gesamtkonzeption sah pro Ortsteil je zwei Sagentafeln an ausgewiesenen Wegen vor. Viel Arbeit, geeignete Standorte zu finden und Genehmigungen zu erhalten!

Die Gestaltung der Tafeln orientierte sich an den Stelen des Lyrikweges, die eloxierten Aluminiumteile werden allerdings auf Holzpfähle montiert, modernes Design verbindet sich mit ländlichem Urmaterial. Ein jeweils passendes Emblem wurde von Jana von Eisenhart- Rothe eingefügt, und das jeweilige Ortswappen gibt dem Ganzen die lokale Einordnung.

Am 5. Juli 2025 wird nun in Billafingen der erste der vier Sagenwege eingeweiht, siehe unten die Ankündigung im Gemeindeblatt.

Ein weiterer Schritt also für Owingen als Erholungsort:

die Wege zur Erholung, Entspannung und zum Wald-und Flurbaden,

die Sagen als Zugang zu Toten und Untoten, zu Taten und Untaten der Vergangenheit und zu spannenden Einblicken in gesellschaftliche und historische Gegebenheiten.

Und schon stehen die ersten Stelen!
Einweihungswanderung : Alle interessiert , gut gelaunt und gut zu Fuß!

Die Seerose

Nymphea alba

Im Teich

ist die Seerose aufgegangen

in der Morgensonne.

Sie hat ihre Strahlen eingefangen,

die sie spiegelt,

und nun blüht sie

hell in den Tag hinein

weiß, gefasst

und allem offen.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Schöner Fächer Regenbogen

Gedichte über Farben in drei Sprachen

Die Libelle

Libelle und Seerose, Aquarell auf Sperrholz von Liane Kemper
Die Libelle

Ach deine starre Hülle
hängt noch am Halm.

Die Not war groß,
du kämpftest und stießst,
dann ließst du los,
empfindlich noch und weich,
und härtetest dich
an der harschen Luft.

Da zog ein Duft
nach Wasser
dich zum Teich.

Du flogst.

Dein ganzer Leib ein Glanz.
Die Flügel zart und hart.

Gisela Munz-Schmidt

Foto: Johanna Wegerich , Emergenz, Aus der Larve schlüpft die Libelle als Imago

Es faszinieren mich bei der Libelle diese schier unglaublichen Wandlungen, vom Ei zur Larve im Wasser und zur Imago, der erwachsenen Libelle, die an und in der Luft lebt.
In beiden Elementen ist die Libelle ein Raubtier.

Die Libelle -ein Annäherungsversuch


Was weißt du noch von jenem anderen Leben
in jenem anderen Element?
Es könnte doch noch Spuren in dir geben,
Erinnerungen, was du kennst und wer dich kennt.
Was also blieb
davon, was trieb
dich aus und fort,
von einem Lebensort
im Wasser zu einem anderen in der Luft?
Wer ist die Macht in dir, wer ruft?
Was ist die Kraft,
die unausweichlich die Veränderung schafft,
die für dich handelt
und dich verwandelt?
Und dann begann,
ab damals wie auch heute,
die Jagd nach Liebe
und nach Beute,
als triebe
ein Rad
dich weiter bis ans Ende
von deinem für dich vorgeplanten vorgesehenen Pfad.

Und also frage ich dich:
Bist du als Lebewesen ähnlich wie ich?


Gisela Munz-Schmidt



Foto: Sibylle Buderath, Eiablage einer Libelle in morschem Rebholz

Kastanien

Kastanie

Bevor sie wächst und blüht und Früchte trägt,
treibt sie, damit kein Sturm sie legt,
kein Wetter sie erschlägt,
den langen Wurzelpfahl tief in den Grund.

Dann jubelt sie den Frühling ein
in vollen roten Blütenglocken,
kräftig und unerschrocken,
und spät im Herbst sind ihre Samen
glänzend, glatt und rund.

Gisela Munz- Schmidt
Aus: Bäume am Weg, Verlag Stadler
Aquarell von Sibylle Buderath, Kastanienblüten
Foto: Gisela Munz-Schmidt, Kastanienblüte in Überlingen, April 2025

Zauberfarben

Brigitte Maruschka, Chakren, Acryl und Kreide
Das Violette

Ich mische kühles Blau
und warmes Rot,
und es entsteht auf der Palette
das Violette.
Die Farben früher Veilchen.
Des ersten Frühlings Lieder.
Die lila Aster spät im Jahr.
Und dann, wie wunderbar,
der Duft von frischem Flieder.

Gisela Munz- Schmidt
Aus: Lieblingsblumen
Mein Polsterphlox blüht!
Die Mischung macht‘s

Aus dem Blau des Himmels
und dem Rot der Erde
wird hier die Farbe,
die mit ihrem Reiz und Schimmer
an beides erinnert,
und zweideutig gelten
verzaubernd wie immer
die Zwischenwelten.

Gisela Munz-Schmidt
Veilchen und Rosen

Wenn du jetzt nicht kommst,
verblühen die Veilchen.
Wenn du dann nicht kommst,
verwelken die Rosen -
und alles Blau
und alles Rot
war da
umsonst.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Lieblingsblumen im Jahr

Siehe auch unter Themen: Farben

Im Frühling am Bodensee

Aquarell von Sibylle Buderath

Frühling am See

Der Frühling kam fast über Nacht,
vertraut, ersehnt,
und schaut und lehnt
am Wiesenrand,
am Gartentor,
und alles steht in vollem Flor
und blüht in heller Pracht.

Die Welt kommt mir verändert vor,
verwandelt See und Land.
Der Frühling ist ein Zauberer.
Er herrscht mit leichter Hand.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See

Im See

Ich will mich zwischen die Wellen stellen.
Wie Vögel schaukeln, wie Fische schnellen.
Mich beugen, mich biegen, mich wiegen.
Diesem See im Süden erliegen.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See

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