Foto: Gisela Munz-Schmidt, Stufen zum Bodensee in Überlingen, August 2025
Mein Element
Das wilde Wasser ist mein Element, wenn’s hoch in tausend Tropfen schlägt, weil es mich nimmt und es mich kennt, weil es mich hält und weil‘s mich trägt.
Das milde Wasser ist mein Element, wenn‘s weich mir um die Füße spielt, wenn‘s zärtlich an die Brust mir zielt und weil‘s, was brennt, mir kühlt.
Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See, Verlag Stadler Konstanz
Viele weitere Gedichte zum Thema WASSER finden Sie unter Themen: Wege zum Wasser
Eine autobiographische Anmerkung dazu:
Als ich mit vierzig Jahren den Mut fasste, meine Gedankenfülle zu formulieren und Gedichte schrieb, rief mich meine pragmatisch orientierte schwäbische Mutter an und fragte: „Was machsch denn grad?“ Ich sagte, dass ich ein Gedicht geschrieben habe. „Hasch nix Rechts zu schaffe?“ fragte sie und erkundigte sich nach dem Thema. „Über Wasser“, sagte ich. „Bildesch du dir ein, dass dir dazu was Neues einfällt?“
Ich habe einfach weitergeschrieben.
Später, als ich ihr mein erstes Bändchen über Schmetterlinge geschenkt hatte, erzählte sie mir, dass sie die Gedichte immer wieder abends lese und schön finde.
Foto: Gisela Munz-Schmidt Der Turm von Hohenbodman
Das Ritterfräulein von Hohenbodman
Um den Turm herum eine weiße Gestalt, ein Ritterfräulein, die Sage ist alt, erlag dereinst der Liebe Gewalt. Ihren Liebsten sie fand weit unter ihrem Stand. Er hat, durch männliche Anziehungskraft, den verbotenen Weg in ihr Herz geschafft. Vielleicht hat er sie verehrt und sie begehrt? Vielleicht hat er sie gestreichelt und ihr geschmeichelt? Vielleicht hat er sie gerührt und sie verführt? Vielleicht hat er sie beschwört und sie betört? Jedenfalls konnte es ihm gelingen, in ihr Innerstes vorzudringen. Und so konnten die beiden in abgelegenen Verstecken einander und ihre Liebe entdecken.
Diese Liebe jedoch war von kurzer Dauer, ihre Brüder legten sich auf die Lauer und ermordeten sie und ihn. Unerlöst sieht man nachts um die Burg sie ziehn, zuweilen auch einen feurigen Mann, der noch vor Liebe brennen kann.
Gisela Munz-Schmidt nach Theodor Lachmann
Ein anderes Gedicht von mir über diese Sage, die mich fasziniert, findet sich unter der Rubrik Sagen und Burgen, dazu auch einige interpretatorische Erläuterungen.
Warum diese Faszination?
Es ist eine Standesgeschichte.
Sie handelt von einem Ehrenmord.
Die Ermordeten sind die Wiedergänger.
Die Mörder kommen nicht weiter vor.
Die Liebenden müssen unerlöst spuken.
So viele Ungerechtigkeiten in einer einzigen Geschichte!
Diesem Mann, dem Überlinger Arzt und Museumsgründer Dr. Theodor Lachmann, verdanken wir die Überlieferung der Sagen unserer Region, denn er veröffentlichte 1909 das Buch „ Sagen und Bräuche am Überlinger See“, in dem er die Geschichten so aufschrieb, wie sie ihm die Leute erzählt hatten.
Gisela Munz-Schmidt im Städtischen Museum in Überlingen neben seiner Büste
In einem Bürgerforum zur Gemeindeentwicklung 2011 in Owingen wurde der Wunsch laut, örtliche Sagen der Öffentlichkeit zu präsentieren, und im Jubiläumsjahr 2025 machte sich ein engagiertes Team an die Arbeit:
Hauptamtsleiterin Adelheid Hug ( links) leitete das Team und Jana von Eisenhart-Rothe ( rechts) organisierte die Umsetzung und zeichnet verantwortlich für die graphische Gestaltung.Karl Stehle war als kompetenter Berater dabei, Dr. Angelika Thiel erfasste und formulierte die Originalsagen und die historischen Hintergründe, die per QR Code vermittelt werden, und Gisela Munz-Schmidt brachte die Sagen in Versform. ( Hier beim Prototyp fehlt die Textzeile „wurde die Glocke nicht mehr gefunden,“)
Die Gesamtkonzeption sah pro Ortsteil je zwei Sagentafeln an ausgewiesenen Wegen vor. Viel Arbeit, geeignete Standorte zu finden und Genehmigungen zu erhalten!
Die Gestaltung der Tafeln orientierte sich an den Stelen des Lyrikweges, die eloxierten Aluminiumteile werden allerdings auf Holzpfähle montiert, modernes Design verbindet sich mit ländlichem Urmaterial. Ein jeweils passendes Emblem wurde von Jana von Eisenhart- Rothe eingefügt, und das jeweilige Ortswappen gibt dem Ganzen die lokale Einordnung.
Am 5. Juli 2025 wird nun in Billafingen der erste der vier Sagenwege eingeweiht, siehe unten die Ankündigung im Gemeindeblatt.
Ein weiterer Schritt also für Owingen als Erholungsort:
die Wege zur Erholung, Entspannung und zum Wald-und Flurbaden,
die Sagen als Zugang zu Toten und Untoten, zu Taten und Untaten der Vergangenheit und zu spannenden Einblicken in gesellschaftliche und historische Gegebenheiten.
Und schon stehen die ersten Stelen!Einweihungswanderung : Alle interessiert , gut gelaunt und gut zu Fuß!
Libelle und Seerose, Aquarell auf Sperrholz von Liane Kemper
Die Libelle
Ach deine starre Hülle hängt noch am Halm.
Die Not war groß, du kämpftest und stießst, dann ließst du los, empfindlich noch und weich, und härtetest dich an der harschen Luft.
Da zog ein Duft nach Wasser dich zum Teich.
Du flogst.
Dein ganzer Leib ein Glanz. Die Flügel zart und hart.
Gisela Munz-Schmidt
Foto: Johanna Wegerich , Emergenz, Aus der Larve schlüpft die Libelle als Imago
Es faszinieren mich bei der Libelle diese schier unglaublichen Wandlungen, vom Ei zur Larve im Wasser und zur Imago, der erwachsenen Libelle, die an und in der Luft lebt. In beiden Elementen ist die Libelle ein Raubtier.
Die Libelle -ein Annäherungsversuch
Was weißt du noch von jenem anderen Leben in jenem anderen Element? Es könnte doch noch Spuren in dir geben, Erinnerungen, was du kennst und wer dich kennt. Was also blieb davon, was trieb dich aus und fort, von einem Lebensort im Wasser zu einem anderen in der Luft? Wer ist die Macht in dir, wer ruft? Was ist die Kraft, die unausweichlich die Veränderung schafft, die für dich handelt und dich verwandelt? Und dann begann, ab damals wie auch heute, die Jagd nach Liebe und nach Beute, als triebe ein Rad dich weiter bis ans Ende von deinem für dich vorgeplanten vorgesehenen Pfad.
Und also frage ich dich: Bist du als Lebewesen ähnlich wie ich?
Gisela Munz-Schmidt
Foto: Sibylle Buderath, Eiablage einer Libelle in morschem Rebholz
Bevor sie wächst und blüht und Früchte trägt, treibt sie, damit kein Sturm sie legt, kein Wetter sie erschlägt, den langen Wurzelpfahl tief in den Grund.
Dann jubelt sie den Frühling ein in vollen roten Blütenglocken, kräftig und unerschrocken, und spät im Herbst sind ihre Samen glänzend, glatt und rund.
Gisela Munz- Schmidt Aus: Bäume am Weg, Verlag Stadler
Aquarell von Sibylle Buderath, KastanienblütenFoto: Gisela Munz-Schmidt, Kastanienblüte in Überlingen, April 2025
Ich mische kühles Blau und warmes Rot, und es entsteht auf der Palette das Violette. Die Farben früher Veilchen. Des ersten Frühlings Lieder. Die lila Aster spät im Jahr. Und dann, wie wunderbar, der Duft von frischem Flieder.
Gisela Munz- Schmidt Aus: Lieblingsblumen
Mein Polsterphlox blüht!
Die Mischung macht‘s
Aus dem Blau des Himmels und dem Rot der Erde wird hier die Farbe, die mit ihrem Reiz und Schimmer an beides erinnert, und zweideutig gelten verzaubernd wie immer die Zwischenwelten.
Gisela Munz-Schmidt
Veilchen und Rosen
Wenn du jetzt nicht kommst, verblühen die Veilchen. Wenn du dann nicht kommst, verwelken die Rosen - und alles Blau und alles Rot war da umsonst.
Der Frühling kam fast über Nacht, vertraut, ersehnt, und schaut und lehnt am Wiesenrand, am Gartentor, und alles steht in vollem Flor und blüht in heller Pracht.
Die Welt kommt mir verändert vor, verwandelt See und Land. Der Frühling ist ein Zauberer. Er herrscht mit leichter Hand.
Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See
Im See
Ich will mich zwischen die Wellen stellen. Wie Vögel schaukeln, wie Fische schnellen. Mich beugen, mich biegen, mich wiegen. Diesem See im Süden erliegen.