Libelle und Seerose, Aquarell auf Sperrholz von Liane Kemper
Die Libelle

Ach deine starre Hülle
hängt noch am Halm.

Die Not war groß,
du kämpftest und stießst,
dann ließst du los,
empfindlich noch und weich,
und härtetest dich
an der harschen Luft.

Da zog ein Duft
nach Wasser
dich zum Teich.

Du flogst.

Dein ganzer Leib ein Glanz.
Die Flügel hart und zart.

Gisela Munz-Schmidt

Foto: Johanna Wegerich , Emergenz, Aus der Larve schlüpft die Libelle als Imago

Es faszinieren mich bei der Libelle diese schier unglaublichen Wandlungen, vom Ei zur Larve im Wasser und zur Imago, der erwachsenen Libelle, die an und in der Luft lebt.
In beiden Elementen ist die Libelle ein Raubtier.

Die Libelle -ein Annäherungsversuch


Was weißt du noch von jenem anderen Leben
in jenem anderen Element?
Es könnte doch noch Spuren in dir geben,
Erinnerungen, was du kennst und wer dich kennt.
Was also blieb
davon, was trieb
dich aus und fort,
von einem Lebensort
im Wasser zu einem anderen in der Luft?
Wer ist die Macht in dir, wer ruft?
Was ist die Kraft,
die unausweichlich die Veränderung schafft,
die für dich handelt
und dich verwandelt?
Und dann begann,
ab damals wie auch heute,
die Jagd nach Liebe
und nach Beute,
als triebe
ein Rad
dich weiter bis ans Ende
von deinem für dich vorgeplanten vorgesehenen Pfad.

Und also frage ich dich:
Bist du als Lebewesen ähnlich wie ich?


Gisela Munz-Schmidt



Foto: Sibylle Buderath, Eiablage einer Libelle in morschem Rebholz