Hierzulande begleiten die Brezeln ein Leben.
Sie werden schon kleinen Kindern gegeben,
spätestens dann, wenn sie greinen und zahnen.
Man gibt sie später noch zahnlosen Ahnen.
Dazwischen zu jeder Gelegenheit,
zur Morgen- und zur Abendzeit.
Die Brezel ist von früh bis spät
eine köstliche Spezialität!
Gebuttert oder ungebuttert,
ein jeder gerne die Brezel futtert,
zu Milch, zu Most und zum Kaffee,
zu Wein, zu Sekt, zu Saft und Tee,
und manche sind so auf die Brezeln versessen,
dass sie sogar Weißwürste mit Brezeln essen!
Rösch, braun und salzig über der Lauge,
zu jedem Imbiss die Brezel tauge,
bei der sich das Weiche mit dem Harten
auf wirklich gelungene Weise paarten.

Kulturelles Urgestein?
Nein und nein und nochmals nein!
Die Brezel, die wir uns lassen munden,
wurde in hoher Not erfunden.

In Bad Urach lebte ein Bäckersmann,
der eine Untat hatte getan.
Man hatte ihn bekommen zu fassen,
und er sollte nun sein Leben lassen.
Doch weil´s einen Unbescholtenen traf,
hatte Mitleid der Richter, ein alter Graf,
und sprach zu ihm: “Du kannst noch hoffen,
ich lasse dir einen Ausweg offen,
entweder bist du morgen tot,
oder du bäckst mir noch heute ein Brot,
durch das die Sonne dreimal scheint,
dann bist du frei mit den Deinen vereint.“

Der Bäcker, der seinen Frevel bereute,
ging schnell ans Werk, keine Mühe er scheute,
aber es wollte ihm nicht gelingen,
ein solches Kunstwerk fertig zu bringen.
Da nahm er vom Brotteig ein kleineres Stück,
rollte den Teig hin und wieder zurück
mit bebendem Herzen und angst und bange
dachte er an den Teufel, die Schlange,
die ihn vom Galgenseil würde trennen
und ließe ihn in der Hölle brennen.
Da erschrak er bis in sein Inneres hinein,
schlug die Enden im Zeichen des Kreuzes ein,
während er an die Erlösung dachte.
Ein kleines Wunder war, was er da machte!
Er buk´s, und als er´s hob, siehe da!
Die Sonne er dreifach scheinen sah.

Da war auch für den Grafen klar,
dass der Bäcker dadurch gerettet war.

So wurde in todesschweren Stunden
in Bad Urach die erste Brezel erfunden.

Gisela Munz-Schmidt

Nach Ines Heim, Sagen von der Schwäbischen Alb,
Karlsruhe, 1992

Anmerkung:

Bad Urach die Ehre, so ist´ s guter Brauch,

doch anderswo schmecken Brezeln auch!

Der Bäcker Mayer, Seestraße 8,

hat schon immer die besten Brezeln gemacht!