Als Gast werde ich am 7. September 2025 in der Markuskapelle um 14 Uhr eine kleine Lesung abhalten, musikalisch begleitet von Franz Alber, Ruth Steindl und Dorothea von Walthausen.
Vier Sagentexte über Taisersdorf und Hohenbodman werde ich vorlesen, sie handeln von Hass und von Liebe.
Meine Lesung ist ein kleines Kunstangebot von vielen anderen, die in Taisersdorf an diesem Tag zum Erleben einladen.
Foto: Gisela Munz-Schmidt, Stufen zum Bodensee in Überlingen, August 2025
Mein Element
Das wilde Wasser ist mein Element, wenn’s hoch in tausend Tropfen schlägt, weil es mich nimmt und es mich kennt, weil es mich hält und weil‘s mich trägt.
Das milde Wasser ist mein Element, wenn‘s weich mir um die Füße spielt, wenn‘s zärtlich an die Brust mir zielt und weil‘s, was brennt, mir kühlt.
Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See, Verlag Stadler Konstanz
Viele weitere Gedichte zum Thema WASSER finden Sie unter Themen: Wege zum Wasser
Eine autobiographische Anmerkung dazu:
Als ich mit vierzig Jahren den Mut fasste, meine Gedankenfülle zu formulieren und Gedichte schrieb, rief mich meine pragmatisch orientierte schwäbische Mutter an und fragte: „Was machsch denn grad?“ Ich sagte, dass ich ein Gedicht geschrieben habe. „Hasch nix Rechts zu schaffe?“ fragte sie und erkundigte sich nach dem Thema. „Über Wasser“, sagte ich. „Bildesch du dir ein, dass dir dazu was Neues einfällt?“
Ich habe einfach weitergeschrieben.
Später, als ich ihr mein erstes Bändchen über Schmetterlinge geschenkt hatte, erzählte sie mir, dass sie die Gedichte immer wieder abends lese und schön finde.
Foto: Gisela Munz-Schmidt Der Turm von Hohenbodman
Das Ritterfräulein von Hohenbodman
Um den Turm herum eine weiße Gestalt, ein Ritterfräulein, die Sage ist alt, erlag dereinst der Liebe Gewalt. Ihren Liebsten sie fand weit unter ihrem Stand. Magsein er war ein Bauernsohn, ein Jägersmann, wer weiß das schon, oder ein Bursche, der leistete Fron. Er hat, durch männliche Anziehungskraft, den verbotenen Weg in ihr Herz geschafft. Vielleicht hat er sie verehrt und sie begehrt? Vielleicht hat er sie gestreichelt und ihr geschmeichelt? Vielleicht hat er sie gerührt und sie verführt? Vielleicht hat er sie beschwört und sie betört? Irgendwie konnte es ihm gelingen, in ihr Innerstes vorzudringen. Und so konnten die beiden in abgelegenen Verstecken einander und ihre Liebe entdecken.
Diese Liebe jedoch war von kurzer Dauer, ihre Brüder legten sich auf die Lauer und ermordeten sie und ihn. Unerlöst sieht man nachts um die Burg sie ziehn, zuweilen auch einen feurigen Mann, der noch vor Liebe brennen kann.
Gisela Munz-Schmidt nach Theodor Lachmann
Ein anderes Gedicht von mir über diese Sage, die mich fasziniert, findet sich unter der Rubrik Sagen und Burgen, dazu auch einige interpretatorische Erläuterungen.
Warum diese Faszination?
Es ist eine Standesgeschichte.
Sie handelt von einem Ehrenmord.
Die Ermordeten sind die Wiedergänger.
Die Mörder kommen nicht weiter vor.
Die Liebenden müssen unerlöst spuken.
So viele Ungerechtigkeiten in einer einzigen Geschichte!