Der Frühling kam fast über Nacht, vertraut, ersehnt, und schaut und lehnt am Wiesenrand, am Gartentor, und alles steht in vollem Flor und blüht in heller Pracht.
Die Welt kommt mir verändert vor, verwandelt See und Land. Der Frühling ist ein Zauberer. Er herrscht mit leichter Hand.
Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See
Im See
Ich will mich zwischen die Wellen stellen. Wie Vögel schaukeln, wie Fische schnellen. Mich beugen, mich biegen, mich wiegen. Diesem See im Süden erliegen.
Wie bekannt ist, heißen Osterglocken Narzissen, nach Narziss, einem griechischen Adonis. Ein Beau.
Narziss
An eines Sees oder Flusses Gestaden zog er sich aus. Er wollte baden. Im Wasser sah er sein Spiegelbild verheißungsvoll lächeln, betörend mild, hinreißend wild, mit gleichem maßlosen Begehren. „Du bist so schön, ich liebe dich.“ Er wollte sich nicht wehren. Und da versank er in sich. Er ertrank.
Gisela Munz-Schmidt
Am Ufer erblühten dann die ersten Narzissen.
Sonnengoldene Narzissen, wie sie es wissen, wann die rechte Zeit ist, denn alles im Leben hat seine Zeit, sagt der Prediger Salomo, und jede Narzisse weiß es auch.
Vor dem Wort war der Klang, war der Urlaut, Wohllaut, war Gesang, war das Schwirren, Surren, Sirren und das Klirren, war das Summen, Knarren, Knarzen und das Brummen, war das Schnarren, Rauschen, Raunen und das Murmeln, war das Dröhnen und das Stöhnen und das Brausen, war das Weinen und das Heulen und das Greinen, war das Juchzen und das Schluchzen, war das Fiepsen und das Piepsen, war das Knistern und das Zischen, war der Rhythmus und die Stimme und der Takt, war der Schlag, der treibt und packt, war das Klagen einer Flöte, war das Rufen eines Hornes, war das Cymbal, war der Schall.
War das Wispern, Lispeln, Flüstern, war das Stampfen, Pfeifen und das Klopfen, war das Pochen und das Wirbeln, war das Zupfen und das Streichen, war das Quietschen und das Wimmern und das Rasseln, war das Grölen und das Nölen, war das Säuseln und das Prasseln, war das Schnurren und das Knurren, war das Trillern und das Tirilieren, war der Knall und der Prall, war das Rütteln und das Stoßen, war das Schütteln und das Hämmern, war das Gurren, Gellen, Jammern und das Jaulen, war der erste Schrei:
Und nichts ist vorbei. Wir erinnern's noch, in unseren Knochen und in unseren Poren, wissen alles, nichts ging unterwegs verloren, und wir spüren's in den Adern und in den Membranen, da tönt uns noch die Trommel unserer Ahnen, und wir fühlen es tief unter unserer Haut - Klänge sind uns urvertraut.
Gisela Munz-Schmidt
Manchmal ist das Leben wie Musik…
Etwas klingt an, erklingt, klangvoll, klingt aus, verklingt… und in diesem Klingen schwingen wir mit.