Lyrik vom Bodensee

Monat: April 2024

Ein Liebesgedicht

Der Falke und das Marmorbild

Sie war aus Marmor 
und war fein und zart und hielt die Hand aus,
und da stieß er nieder,
aus Rot und Gold ein stiebendes Gefieder
und saß
vollendet wie ein freier fester Traum.

So war es immer wieder.
Er flog die Kreise
am Tag im wilden Raum
nach Falkenvogelweise
und kam in selber Art auf ihre Hand zurück
und schüttelte den Regen aus den Federn,
den Staub, das Laub, den Abendtau.

Man sagt, des Nachts,
ich weiß es nicht genau,
wurd aus dem Falk ein Mann
und aus dem stolzen Marmorbilde schälte sich
die warme Frau.
Ihr Name oder seiner
war Glück.

Mehr weiß ich nicht,
es ist schon lange her.
Ich weiß gewiss nicht mehr.

Gisela Munz-Schmidt




Wie schön Übergänge sein können und wie sehr sie schmerzen.

Ja. Es ist wahr.
Wir verlieren die Gegenwart
an die Vergangenheiten.

Aber leuchten
nicht alle Sterne
hell und klar
vom Licht
vergangener Zeiten?

Gisela Munz-Schmidt


Abschied

Wir können es nicht fassen.
Nichts wird wiederkehren.
Wir können uns nicht wehren.
Getrennt und hinterlassen
sind wir und müssen geben.

Doch alles, was war,
bleibt im Gedächtnis.
Wir behalten das Leben
im Tod als Vermächtnis.

Gisela Munz-Schmidt
Mein Baum

Jedes Jahr wächst er,
so unterschiedlich wie die Jahre verlaufen,
so wächst er auch.
Er wird immer weiter wachsen,
sagt der Baumexperte,
mit den Jahren zwar immer weniger,
aber immerhin,
und er wird mich überleben.
Aber jetzt , bis zum meinem Ende,
will ich sein Wachsen
erleben
und begleiten.

Gisela Munz-Schmidt

Das Gedicht ist gedruckt in Bäume am Weg, Verlag Stadler, und die Tafel war in Schloss Maurach mit Aquarellen von Sibylle Buderath ausgestellt. Hier steht sie vor meiner Atlaszeder : das ist mein Baum.