Gisela Munz-Schmidt

Lyrik vom Bodensee

Übersee Konstanz

Konstanz und der Seerhein

Aquarell von Sibylle Buderath Rheinbrücke Konstanz

Zu den Fakten:

Der Alpenrhein mündet am Rheinbrech in den Bodensee, sinkt in die Tiefe und durchfließt den Bodensee ungefähr 48 km lang bis zu seinem Austritt bei Konstanz; ab da wird er Seerhein genannt.

Ein Faszinosum!

Die Lyrik lebt von Bildern, Metaphern, Symbolen…Also:

See und Rhein

Und es zieht dieser Rhein in diesen See
so wie ein Liebender in eine Seele.

Er geht hinein,
und da ist weder Wand noch Wehre,
er gibt sich ganz
und bleibt mit weichen Wasserrändern
er selbst,
als wüsste er so jung
um seinen langen Weg.

Der Rhein, der See, sie teilen
für eine Zeit ihr Sein.
Verbunden und allein
durchfließt den See der Rhein
und lässt ihn dann zurück:

Zum Strom geworden,
den es weiter drängt,
der seinen Austritt will
und sich durch Hindernisse zwängt,
der sammelt und bewundert wird,
und doch verwundet sucht im Meer,
was er verloren.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Verlag Stadler Konstanz





Aquarell von Sibylle Buderath Das Rheintor in Konstanz

Konstanz am Rheintor

Ganz ist die Stadt und ist eine Brücke.
Die Stücke
fügen sich, nur ein paar Schritte
herüber, hinüber an See und an Rhein,
so nimmt sie dich ein
und in ihre Mitte.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Verlag Stadler Konstanz
Constance

A city of vision,
a bridge of transition
combining novelty and tradition

offering spaces
granting places
showing graces

and horizons narrow and wide.
The Lake and the Rhine
flowing at its side.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Verlag Stadler Konstanz

Konstanzer Sagen

Ein schreckliches und schauriges SAGENGEDICHT über Konstanz:

In Konstanz ist gut stehlen

Ein Irrtum, ein Justizirrtum gar,
fand in Konstanz statt, genau im Jahr
1450 zur Winterszeit.
Es hatte viel und mächtig geschneit,
und ein Krämer aus dem welschen Land,
der den Weg von Meersburg nach Konstanz fand,
wurde bei Staad, wo sich‘s zugetragen,
von einem Landstreicher brutal erschlagen -
aus Habgier, mit Absicht und böser Tücke,
aus dem Hinterhalt unter einer Brücke.
Damit der Mord nicht würde entdeckt,
hat der Mörder den Leichnam sorgsam versteckt,
zog dann seine Schuhe umgekehrt an
und ging auf ein Haus zu, in dem ein Mann,
ein Witwer, mit seinen Söhnen lebte.
Eine Falschspur zu legen der Täter erstrebte.
Darauf schlug sich der Mörder mit seinem Raub
in die Büsche und machte sich aus dem Staub.

Am nächsten Tag erschallte die Kunde
von dem Erschlagenen, zur gleichen Stunde
erhob Anklage der Konstanzer Rat
gegen Vater und Söhne wegen Mordestat,
denn zu ihnen führte eindeutig die Spur,
sie wurden gefangen, trotz Unschuldsschwur.
Und da die Drei den Mord nicht gestanden,
die Knechte sie auf die Folter banden,
und nach schmerzlichsten Qualen, unsäglich langen,
schrien die Söhne, sie hätten die Tat begangen.
Der Scharfrichter ließ sie rädern, jedoch
ihr Vater lebte immer noch
im Gefängnis mit seinen Folterwunden -
trotz seiner Unschuld verletzt und geschunden.

So verging eine Zeit, bis ein Bote kam
aus Verona mit Briefen, die ein Richter nahm,
darin war die grausame Wahrheit zu lesen:
Ein Anderer war der Mörder gewesen,
der habe vor seiner Erhängung bekannt,
die Stadt und die Stelle genau benannt,
wie er damals kalt und ungerührt,
andere in Verderben und Irrtum geführt.

Da gingen Schrecken und Reue um,
der Rat bat den armen Vater darum
um Verzeihung und bot dem alten Mann
als Schmerzensgeld zehntausend Gulden an,
doch der Alte wollte das Geld nicht haben
und zog bettelnd durch Konstanz um milde Gaben.

Die reuigen Richter ordneten an,
dass fürderhin ein jeder Mann,
der den Tod durch das Rad verdienet hätte,
nur den Strang erhalten täte.
Und jeder, der am Galgen sollt hangen,
den Tod durch das Schwert nur sollte erlangen,
und jeder, der durch´s Schwert sollte gehen,
bräuchte nun bloß am Pranger stehen.


Daher war bei den Gaunern und Dieben
das folgende Wort noch lange geblieben:
„In Konstanz ist gut hehlen
und stehlen,
denn weil den Rat Gewissensbisse drängen,
braucht in Konstanz ein Dieb nicht hängen!“

Gisela Munz-Schmidt

Nach Bernhard Möking,
Sagen und Schwänke vom Bodensee,
Konstanz, 1981


Ein weiteres SAGENGEDICHT, in dem der Rat Vorbildliches geleistet hat:



Die Sage von Wendelgard von Halten

Die Haltnau bei Meersburg
Aquarell von Sibylle Buderath
Wendelgard von Halten

Die Haltnau-Sage erzählt uns genau
die Geschichte einer besonderen Frau.
Schlechtes und Gutes, Fluch und Segen
tat das Schicksal ihr in die Wiege legen.
Doch was es ihr auch hat gebracht,
sie hat das Beste daraus gemacht.

Erbin war sie von großem Besitz
direkt am See - und Mutterwitz
und ein klarer Verstand,
eine liebe Art, eine offene Hand,
das alles sprach man gern ihr zu.
Aber anderes ließ ihr keine Ruh:
Sie trug einen Höcker auf dem Rücken,
konnte schlecht gehen und kaum sich bücken,
war überdies auch im Gesicht 
wahrhaftig eine Schönheit nicht.
Sie hatte ein Schnäuzlein wie das eines Schweines,
ein Rüsselchen eben, wenn auch ein kleines.
Je älter sie wurde, je mehr offenbar
warn die Mängel, und sie ihrer gewahr.
Es ließ auch das Höhnen und Spotten nicht nach.
So seufzte sie häufig:“O weh und o ach!“
und weinte in ihr Schüsselchen:
„Keiner gibt mir ein Küsselchen!“

Oft hat sie darüber nachgedacht,
die Tränen getrocknet: „Es wär doch gelacht,
wenn alles, selbst wenn ich mich schäme,
nicht doch ein glückliches Ende nähme!
Schließlich hinterlasse ich, wenn ich sterbe,
ein beachtlich großes Erbe!“
Also schritt sie energisch zur Tat
und ließ kommen den Meersburger Rat,
dem sie die Sache zur Sprache brachte 
und ausgeklügelt den Vorschlag machte:
Bis an ihr seliges Ende sollte
einer der Räte, so wie sie es wollte,
jeden Sonntag, nach dem Morgenkuchen,
zur Gesellschaft sie besuchen,
sie würden ausfahren und dinieren,
ubd danach noch gut soupieren,
und zum Abschied gäb‘s als Dank ein Küsselchen
auf das Wendelgardsche Rüsselchen.
So hätte sie wenigstens wöchentlich eben 
eine schöne Freude und etwas vom Leben.
Und wenn ihr Gott dann die Lider schließe
erbe Meersburg alles, Weinberg und Wiese.

Aber der Rat tat sich gerieren,
die Räte sich genieren und zieren,
und sie gaben hochnäsig abschlägig Bescheid 
und sagten nicht einmal: „Es tut uns leid.“

Jungfer Wendelgard ließ sich‘s nicht verdrießen 
und kam zu folgendem Beschließen:
Wenn der Nachbar gar nicht will zur Linken,
werde ich über den Bodensee winken,
vielleicht geht Konstanz den Handel ein
und will der Haltnau Besitzer sein?
Sie trug ihr Erbe Konstanz an,
und die Räte, Mann um Mann,
kamen , ohne zu murren oder zu fluchen,
tapfer zum sonntäglichen Besuchen.
Sie standen pflichtschuldig durch das Programm,
und als dieses jeweils zu Ende kam,
gab‘s noch zum Schluss auf‘s Rüsselchen 
ein beherztes Küsselchen.
So ging es Woche um Woche, Jahr um Jahr,
und als Wendelgard betagt gestorben war,
fielen Wiese und Weinberg und Ross und Kuh,
fiel alles den wackeren Konstanzern zu.

Konstanz hat Mitleid und Weitblick bewiesen,
und wir können die Haltnau noch heute genießen.

Gisela Munz-Schmidt 

Quellen: Gedenktafel am Weingut Haltnau und Theodor Lachmann, Sagen und Bräuche am Überlinger See, Weißenhorn, 1972

Imperia

Minoische Schlangengöttin Archäologisches Museum Heraklion Kreta Pixabay.com
Imperia

Auf Kreta bändigt die Göttin Schlangen,
in Konstanz die Kurtisane Kaiser und Papst.

Lass uns das herunterbrechen:
Alle: Anspruch und Wirklichkeit.
Eltern: Kinder und Alltag.
Ich: Phantasie und Alterung.
Und du?
Hauptsache: Alles im Griff.

Gisela Munz-Schmidt

Rosenzeit

Die folgenden Fotos zeigen Aquarelle von Sibylle Buderath mit meinen Gedichten. Irgendwann habe ich dieses kleine Heft zusammengestellt und jetzt wiedergefunden. Die Aquarelle zeigen in Wirklichkeit zartere feinere Farben. Trotzdem glaube ich , dass der Charme sich mitteilt.

1997 erschien unser gemeinsames Rosenbuch. Es wurde großartig im Schloss Salem getauft. Leider ist es inzwischen vergriffen, im Onlinehandel oder antiquarisch aber noch manchmal erhältlich. Ich habe ja schon erzählt, wie wir, Sibylle und ich, auf der Insel Mainau Inspirationen und herrliche Anschauungsschönheiten suchten und fanden, in allen Stadien ihres Blumenlebens.

Auf Seite 20 steht im Rosenbuch ein Gedicht, das heute eine besondere Bedeutung gewinnt. Es basiert auf wirklichen Gesprächen mit einer Kollegin und einem Kollegen des Gymnasiums Sandhausen, mit denen ich befreundet war.

.

Frieden

Als vor Jahren
ein guter Freund den Garten neu anlegte
und mich fragte,
welche Blume er denn solle pflanzen,
und schwer mir war die Wahl,
da fiel mir ein,
dass einmal eine Frau erzählte,
wie sie des Nachts
bei klarem Himmel
unzählige Sterne sah
auf einem Hügel liegend
und unter ihr die Stadt der Städte,
die in sich
birgt und trägt und hält
die Heiligtümer unserer Welt,
da wusst ich:
Eine Rose.

Sie heißt Shalom,
ist rot und schön,
und hat den Namen,
der uns Menschen
fehlt.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg

Rose SHALOM ( Poulsen 1972)


Auch Zuneigung drückt die Rose aus:

Botschaft

Die Rose offenbart,
was ich dir sagen will.
Was ich mit Worten hilflos such,
spricht sie vollendet aus
und still.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg

Überhaupt bewirken die Rosen Gefühle:


Rosen bauen Brücken,
trocknen Tränen,
bitten um Verzeihung,

sie lächeln
und lachen

für dich.


Natürlich können sie auch
überraschen,
schmeicheln,
erweichen,
verführen,
bezaubern,
rühren…

Kein Trost

Munstead Wood
Erdenstoff

Wie Erdenstoff vergeht.
Wie Blätter, gestern rot, sich heute dunkel färben.
Wie weh das tut.
Das Zusehn und das Welken und das Sterben.

Aus Eisen wird Rost.
Das Aus steht ein.
Aus Ja wird Nein.
Kein Trost.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Blumen am Weg
Verlag Stadler, Konstanz

Aquarell von Sibylle Buderath

Vom Vergehen

Alles zerfällt.
Ins Grab
geht alles Leben
hinab.

Ein Fels wird zu Stein,
ein Stein zu Sand,
gefallen, geworfen, gespült
bis zum Strand
als kleines letztes Korn
allein.
Gestalt und Größe und Zusammenhalt verlorn.
Die Zeit hat Gewalt.
Kein Halt.

Ein Blatt wird zu Laub,
Warm wird zu Kalt,
ein Du, ein Ich zu Staub.

Gisela Munz-Schmidt



Ein Liebesgedicht

Der Falke und das Marmorbild

Sie war aus Marmor 
und war fein und zart und hielt die Hand aus,
und da stieß er nieder,
aus Rot und Gold ein stiebendes Gefieder
und saß
vollendet wie ein freier fester Traum.

So war es immer wieder.
Er flog die Kreise
am Tag im wilden Raum
nach Falkenvogelweise
und kam in selber Art auf ihre Hand zurück
und schüttelte den Regen aus den Federn,
den Staub, das Laub, den Abendtau.

Man sagt, des Nachts,
ich weiß es nicht genau,
wurd aus dem Falk ein Mann
und aus dem stolzen Marmorbilde schälte sich
die warme Frau.
Ihr Name oder seiner
war Glück.

Mehr weiß ich nicht,
es ist schon lange her.
Ich weiß gewiss nicht mehr.

Gisela Munz-Schmidt




Frühblüher

Es blühen die Zärtlichen, Zarten.

Vorbei alles Warten.

Sonne wächst aus dem Garten.

Gisela Munz-SCHMIDT
Aquarell von Sibylle Buderath

„Denn das Kleine entzückt vor dem Großen,

und das Blau ist ewiger als das Rot.“

Gisela Munz-Schmidt
Violett

Ich mische kühles Blau
und warmes Rot,
und es entsteht auf der Palette
das Violette.
Die Farbe früher Veilchen,
des ersten Frühlings Lieder.
Die lila Aster spät im Jahr.
Und auch, wie wunderbar,
der Duft von frischem Flieder.

Gisela Munz-Schmidt


 
Das Veilchen

Warum lieb ich dich so?
Das Kleine?
Das Feine?
Das Reine?
Das Meine?
Weil ich mich bücken muss,
um das Entzücken zu erleben.
Weil ich den Duft liebe und die vielen Gedichte,
die sich mit dem Veilchen befassen.
Doch pflücken soll ich es nicht.
Ich will es für andere stehen lassen.

Gisela Munz-Schmidt 


Aquarell von Sibylle Buderath

Osterglocken

…wiegen sich im Wind
in der Wiese und im Park
wild und kultiviert…

Gisela Munz-Schmidt 

Wie bekannt ist, heißen Osterglocken Narzissen, nach Narziss, einem griechischen Adonis. Ein Beau.

Narziss

An eines Sees oder Flusses Gestaden 
zog er sich aus. Er wollte baden.
Im Wasser sah er sein Spiegelbild
verheißungsvoll lächeln,
betörend mild,
hinreißend wild,
mit gleichem maßlosen Begehren.
„Du bist so schön, ich liebe dich.“
Und da versank er
in sich.
Er ertrank.

Gisela Munz-Schmidt

Am Ufer erblühten dann die ersten Narzissen.


Den Frühling finden

Die Sonne, die Wärme, die Osterglocken
wollen ins Freie und Weite dich locken.
In Gärten, zwischen Polstern und Blütenkissen,
wiegen sich die Prachtnarzissen.
Oder sieh doch! Diese
stehen heiter in der Wiese
mit leuchtendem Gelb und frischem Grün,
schau nur, wie sie üppig blühen!

Schnür deine Schuh und mach dich bereit:
Jetzt kommt die unbeschwerte Zeit!

Gisela Munz-Schmidt 



Aquarell von Sibylle Buderath
Gänseblümchen

Erinnere dich:
Die Welt war weiß voll Schnee.
Aber alles weggeschmolzen,
fortgeweht und hingetaut,
und nun sehen wir,
entzückend und vertraut,
diese süßen kleinen Gänseblümchen
auf der grünen Wiese.

Gisela Munz-Schmidt 




Purpurne Blüten in unserem Garten:
Das ist Naturlyrik pur!

Primel
Alpenveilchen

Lenzrose

Fotos: Gisela Munz-Schmidt

Fasnet/Fastnacht/Karneval

Erinnerungen….
Narrenzug

Hoorig hoorig hoorig isch die Katz
In der schönen alten Chaise
sitzen unsere Narreneltern:
Unsere breite Narrenmutter
und der rotgenaste Vater
lassen sich um Brezeln bitten -

Bissig bissig bissig isch der Hund
Und der lange Narrenbaum,
gezogen von der Zimmergilde:
Schwarze Hosen, Silbermünzen,
fesche Hüte, breite Krempen,
lieben Bier und scharfe Schnäpse -

Borstig borschtig borschtig isch die Sau
Eine bunte Schar von Kindern:
Wilde Katzen, milde Bärlein,
Königinnen und Prinzessen,
Indianer, Mäuse, Ritter,
Zorros, Cowboys, Punks -

Buure Buure Buure fresset Würscht
Alte Wieber, Zwergensippen,
weitgereiste Wüstenscheiche,
Mäschkerle mit Tradition,
Larven, Musik, Umzugskarren,
alles läuft im Zug der Narren -

Gizig gizig gizig isch der Beck
Mit Seilen und Keilen,
ohne sich zu beeilen,
wird der Narrenbaum gestellt,
vom Polizisten laut verschellt,
und durch knallende Karbatschen
mächtig kräftig eingeschnellt.

Gisela Munz-Schmidt 


Hänsele in Überlingen
Foto: Dr. Werner Schmidt

Narrentreffen Viererbund in Überlingen

Häuser geschmückt mit rot-gelben Fahnen,
Narrenmutter und -vater vereint,
Menschenmassen in Reihen und Bahnen,
ein Glück, dass ein bisschen die Sonne scheint!

Leute schauen aus Zimmern und Stuben,
genießen den Logen-Überblick.
Bläser schmettern in Hörner und Tuben,
Stimmung macht die Narrenmusik.

Hänsele kommen mit ihren Karbatschen,
schnellen, und seien sie noch so klein,
mit kräftigem Schwung und Seilendeklatschen
wuchtig die neue Fasnet ein.

Vornehme Narren aus uralten Zünften
jeder mit seinem eigenen Gesicht,
dazwischen Bären, als wie in Brünften 
brummend: Zuschauer, fürchtet euch nicht!

Orangen und Bonbons und Würste am Stiel,
ein Geben und Nehmen und Werfen und Fangen,
im wechselnden Narr- und Betrachterspiel.
Nur ich kann keine Brezel erlangen.

Schwere Schellen und gut betucht,
sauberes Leinen und feines Gestick,
jede Bewegung voll Anmut und Zucht,
der Narrensamen am Kälberstrick.

So viele Masken, aus Holz schön geschnitzt,
so viele Bloter- und Pinselstecken,
übermütig, vergnügt und verschmitzt
beim Kopfdraufschlagen und Mädchennecken.

Fransenkleidle und Benner Rössle
ziehen stolz und bewegt im Rund,
Hansel, Narro und Hänsele, 
so prächtig präsent ist der Viererbund!

Hänsele, Schantle und Federhannes
liefen im bunten Zug durch das Tor.
Wie ein langer Strom, so rann es,
bis dann an meine Füße ich fror.

Gisela Munz-Schmidt




Überlinger Löwinnen
Foto: Dr. Werner Schmidt
Vergleiche dazu unter dem Thema Burgen und Sagen das Gedicht „Die Frau und der Löwe“

Masken

Masken geschnitzt.
Mienen verschmitzt,
Gefühl und Stimmung eingeritzt.
Ausdruck gewitzt.
Münder verzogen und Lippen gespitzt.
Augen offen oder geschlitzt
wie Ohren….

Gisela Munz-Schmidt
Sgraffito am Haus der Holzbildhauerei Benz in Owingen , Ausschnitt
Foto: Rudolf Koch

Alte Wieber

Fastnachtsfieber - Alte Wieber

Merk ich Fastnachtswinde wehn durch alle Ritzen,
kann zu Hause ich nicht länger sitzen,
hole meine schwarze Seidenbluse mit den schönen Spitzen
und den langen schwarzen Rock mit Seitenschlitzen,
Omas Ausgehhut mit feinen Litzen
und der kühnen Feder drauf, der spitzen,
Stock und Schirm und Charme zum Flitzen,
Täschchen, Umhang, Spiegel: meine Augen blitzen,
ich fühl wallend mich vor Fasnetswonne schwitzen,
spüre fliegend wilde Fasnetshitzen,
denn es schüttelt mich das Fastnachtsfieber,
und ich reih mich selig-glücklich ein
in den Zug der alten Wieber.

Gisela Munz-Schmidt

Foto: Dr. Werner Schmidt


Aschermittwoch

Aschermittwoch

Müde, ganz erschöpft mit wehem Kopfe,
meine Füße wundgetanzt seit Tagen,
wanke fröstelnd ich durch aschermittwöchliche Gassen,
Fastnachtsfieber hat mich gestern Nacht verlassen,
ausgeglonkert
ausgejuckt
ausgeschnellt
abgestellt
so wie mein Häs.

Fasten muss ich, Katers Beute,
streng ab heute,
und ich schwör, ich esse nur noch
Kutteln,
Fisch
und sauren Käs.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Das Kochbuch aus Friedrichshafen
Aus: Kochbuch für Koch – und Haushaltsschulen, 1928
So oder ähnlich….eigenes Rezept

Gedichte vom Bodensee: SOMMER am BODENSEE

Summer

Summer sets sail,
sun and sunshine prevail.
Harbour good-bye,
gold ‘s in the sky.
Breezes blow well,
spinnakers swell -
every wind‘s friend am I.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Sibylle Buderath Abendstimmung mit Booten vor der Insel Reichenau
Aquarell 2020
Föhnstimmung

In der Silberschmiede
des Windes
schmilzt der See
und glänzt sich aus.
Da glänze ich wortlos 
mich ein.

Gisela Munz-Schmidt 
Aus: Wege zum See
Foehn Mood

This is what happens many a day.
At a sudden it's warm
in a very strange way.
The air is clear.
The mountains seem near.
The lake shines like a melting pot.
Glittering shivering  burning hot.

A prince and a princess.
An access. An excess.
From long ago and recently told.
Love is madness.
A fancy. A frenzy.
Water is silver and gold.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance

Wege zum Wasser

Marita Hornberger
Am Wasser II 2007
Acryl auf Maltuch
Wasser

Mach mich doch nass -
es sprinkelt und glitzert und spritzt,
es perlt und trieft und tröpfelt,
es wellt und quillt und patscht,
es gluckst und glänzt und blubbert,
es schlabbert und schlubbert,
es quirlt und strudelt,
es sprudelt -
Wasser macht Spaß!

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Foto: Georg Schmidt
Water

It sprinkles
and splishes
and sploshes
and splashes.
It rushes
and dashes.
It hurts 
and it cools.
It is fear 
and it‘ s fun.
It fools
with the wind
and it smiles
with the sun.

Gisela Munz- Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Foto: Georg Schmidt
Ein Kinderleben

Ein Kinderleben, ein Kinderland,
braucht Sonne und Hände, Wasser und Sand.

Hinter dem Deich und hinter dem Damm
hört die Welt auf, fängt die Welt an.

Hinter der Düne und hinter dem Deich
ist alles anders, sind alle gleich.

Bei Ebbe und Flut 
ebbt alles ab, wird alles durchflutet,
und alles ist gut.

Gisela Munz-Schmidt
The Water in the Lake

Water of constant flow.
Water from ice and from snow,
from running falls of the mountains,
water of rivers and fountains,
water from streams and from brooks and from wells,
of rain, that fell drop by drop,
water that seeps and that swells.
Vapour and condensation.
Abundance and concentration.
Eternal circle
without any stop.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Mein Fluss. Der Neckar

Wie jeder seine Bahn,
wie jeder seinen Weg,
so hat auch jeder
seinen Fluss.

Mein Fluss ist schmal und breit,
fließt zügig und hat Wehre.
Mein Fluss hat Arme alt und neu,
fließt dicht und dunkel aus der Kinderzeit
und hell und klärend durch die Zeit der Lehre.
Er mündet schwer beladen.

Wenn ich ihn heute suche,
sehe ich,
wie sich die Bahnen
und die Wege ändern.
Und finde doch den alten Schimmer
und die alten Stege
an seinen goldenen grünen Rändern.

Gisela Munz-Schmidt

Am Neckar in Heilbronn
2022
Das Wasser

Es ist Stauung und Fluss.
Entzücken. Verdrießen.
Ist Stocken und Gießen.
Ist Starren und Schießen.
Ist Woge und Wiege und Welle.
Ist Quelle, Sog, Wirbel und Schnelle.
Ist Schnee auf dem Dach 
und ist Eis unterm Fuß.
Ist Qual und ist Not und ist Strafe und Muss.
Ist Kuss auf den Lippen,
Glanz, Gunst und Genuss.
Es ist Anfang und Mitte und Schluss.

Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser

Die alte Hydra mit den vielen Köpfen
und mit keinem
taucht wieder auf.

Du schlägst. Das Wasser weicht.
Du krallst. Und hast doch leere Hände.
Du dämmst es ein. Es dringt durch alle Wände.

Du kannst‘s nicht zwingen, und du kannst es nicht zerbrechen.
Wenn du es säuerst, wird sich´s ätzend rächen
und hilft dir doch, wenn deine Kraft nicht reicht.

Gisela Munz-Schmidt

Das Wasser ist wie wir

Das Wasser ist wie wir.
In einer weichen Wolke Schoß
wird langsam reif es und bereit
und wartet eine angemessene Zeit,
dann löst‘s sich los.

Das Wasser ist wie wir.
Als kleiner Tropfen schlägt‘s ungewappnet auf.
Es trifft auf eine vorbestimmte Stelle
in einen Kreis und wird zur Welle
und unentrinnbar rinnend beginnt es seinen Lauf.

Das Wasser ist wie wir.
Es will gesellig sein,
bringt sich bewegt bewegend in das Leben ein,
treibt um und an, wirkt hin und her
im großen Strom und mündet und geht auf im Meer.

Das Wasser ist wie wir.
Den Kreislauf zu vollenden
sucht es von Wärme angezogen
den hohen Himmelsbogen.
Und Enden wird zu Wenden.

Das Wasser ist wie wir...

Gisela Munz-Schmidt



Marita Hornberger
Unterwasser V
Im Wasser

Ich liege treibend auf dem Wasser,
und es wachsen mir
Gedanken aus dem Kopf und Worte
so wie Haare.

Ich suche tastend zu ergründen,
ob das,
was wehend aus mir wächst,
ein Teil ist auch von mir,
oder ob ich,
so treibend,
ein Wesen schon geworden bin der andern Welt,
die ich nicht kenne,
ich mir selber fremd.

Ich fühle jede einzelne Wurzel aus mir wachsen
und geh mit jeder Faser auf in meinem Element
und bin mit meiner Haut und meinen Haaren
vom Wasser völlig ungetrennt wie Wasserpflanzen.
Ein abgegrenzter Teil.
Und doch ein Teil vom Ganzen.

Gisela Munz-Schmidt


Mein Element

Das wilde Wasser ist mein Element,
wenn’s hoch in tausend Tropfen schlägt,
weil es mich nimmt und es mich kennt,
weil es mich hält und weil‘s mich trägt.

Das milde Wasser ist mein Element,
wenn‘s weich mir um die Füße spielt,
wenn‘s zärtlich an die Brust mir zielt
und weil‘s, was brennt, mir kühlt.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See



Foto: Dr. Werner Schmidt
Two Faces of Water

Water is mild
like bathing a child,
tender and soothing
and smoothing.

Strong and seductive,
hard and destructive
water is wild.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance


Foto: Dr. Werner Schmidt
Dieses Meer

Dieses Meer ist mir zu groß,
wirft mich um,
treibt mich aus
blauer Lippen,
jagt mir kalte Schauer 
über und über -

diese harten Steine
brennen in meine Füße
ihre spitzen alten unmissverständlichen Zeichen:

Ich bin,
spricht die Erde,
stärker als du,
kleiner Mensch,
und das sagt sie
ohne Hohn,
einfach so,
übermächtig.

Gisela Munz-Schmidt
Farewell 

Schwimm,  Liebes, schwimm,
ich halte dich nicht mehr.
Du gehst hinunter
und du suchst das Meer,
ich werde bleiben.

Schwimm,  Liebes, schwimm.
Die Wege trennen sich.
Zwei Schiffe, die sich grüßen.
Zwei Schiffe ohne Wiedersehen,
die zu verschiedenen Häfen gehn,
die unter anderen Farben stehn
und andere Segel hissen.
Zwei Menschen, die die Winde und die Zeit
aus ihren Armen rissen.
Die auseineinandertreiben.

Und wie du bist und wie du warst
werd ich mit wunden Fingern in die Haut
von anderen Lieben schreiben.

Ich werde dich vermissen.

Gisela Munz-Schmidt

Die eine Perle

Die eine Perle

leg ich dir in deine Hand.

Ein Stück vom Meer,

ein Stück vom Land,

ein Körnchen Sand

inmitten einer großen Welt Getriebe.

Ein weicher Glanz

von Schüben, Schichten, Schalen und Erinnerungen

ganz umhüllt.

Beredt und doch verschwiegen.

Ich sah sie liegen

und ich hob sie auf.

Das Zeichen und den Zauber

der Liebe.

Gisela Munz-schmidt

Rosen

Tuscany Superb
Rosa gallica

Ein paar Tage später…

Kreislauf

Blüte, Frucht,

Anfang und Ende,

Wachstum, Reifung,

Wandel, Wende,

das Vergehende,

das Entstehende –

ja, ich lerne und ich weiß:

wie die Rosen leben wir im Kreis.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Rosen am Weg
Aquarell von Sibylle Buderath
Aus: Rosen am Weg

Zauber

Eine Zauberin ist sie,

die Rose,

wie die Harmonie,

wie die Poesie,

wie die rote Magie –

weil sie um den Kreis

weiß.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Rosen am Weg
Aquarell von Sibylle Buderath
Heckenrose und Hagebutte
Aicha
Rosa spinosissima
Blüte und entstehende Hagebutten

Madame Hardy
Rosa damascena
mit Käferbesuch
im Garten von Thomas und Petra

Mitglied einer Kette

Ein Fädchen im Netz

Anteil am Ganzen

Menschen, Tiere, Pilze, Pflanzen.

Gisela Munz-Schmidt

Verbundenheit

Nein, ich bin nicht allein.

Bei mir ist dieses andere Sein,

in dem ich mit erblasse, mit erglühe.

Ich lebe, und ich lass mich ein.

Mir ist, als ob ich manchmal welke,

doch immer wieder auch, als ob ich neu erblühe.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Rosen am Weg
Historische Rose im Garten von Thomas und Petra

Rosen am Weg

Das Zarte wahrnehmen,

es zärtlich berühren.

Die Fülle fühlen

und damit weitergehen.

Die Rosen, die am Wege stehen,

sind Pforten und offene Türen.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Rosen am Weg

Rosenbogen
Kletterrose Laguna
im Garten von Thomas und Petra

Gedichte vom Bodensee:Insel Mainau

Frühling auf der Mainau
Aquarell von Sibylle Buderath
Mainau

Bäume,  mächtig,
alt und stark,
Blumen, prächtig
im weiten Park,
Beete von Blüten,
von blauen und roten,
Exoten
wie Boten,
barocke Räume,
Tulpen, Dahlien, Rosenträume,
Brunnen, die sich am Wege ergießen,
bunte Pflanzen an Hängen, in Wiesen,
Gewächse, welche gedeihen und sprießen,
Farben, die ineinanderfließen:
Kommen. Bleiben. Genießen.

Gisela Munz- Schmidt
Aus: Wege zum See


Sommertag auf der Mainau
Aquarell von Sibylle Buderath
The Island of Mainau

An island that holds
very special treasures,
full of blooms and of butterflies,
full of wonders and pleasures.

The tulips in spring,
in summer the roses,
beautiful dahlias late in fall.

The charms of nature this island exposes.
Full of trees and fine flowers,
and I do love them all.

Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance

An die Insel Mainau habe ich viele persönliche Erinnerungen – an Besuche allein, mit Familie oder mit Freundinnen und Freunden.

In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder ein, wie sich Sibylle Buderath und ich auf unser Buch „Rosen am Weg“ vorbereiteten. Sibylle wollte ihre Rosenaquarelle „en plein air“ malen, wurde aber immer wieder von neugierigen Menschen gestört, die ihr über die Schulter blicken wollten. So zogen wir zu zweit los, sie verschwand hinter die Rosenbüsche mit ihrer Staffelei, fand Motive zum Malen, und ich stand vorne als Wächterin am Weg und ließ mich durch Beobachtungen und Einsaugen der rosealen Atmosphäre inspirieren, konnte so die Leute ablenken, und wenn Sibylle fertig war, gingen wir zusammen ins Café  und schauten und besprachen, welche Bilder und welche Texte zusammenpassen könnten.

Hier drei Beispiele aus unserem Lyrikbildband ROSEN AM WEG:

Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz- Schmidt

Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz-Schmidt
Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz- Schmidt

Auf der Insel Mainau wird nicht nur der Schönheit und Vielfalt der Pflanzen gehuldigt, sondern durch naturnahe Areale und informative Anlagen wird auch das ökologische Bewusstsein geschärft.

Besonders der Insektenschutz verdient Beachtung! Im Schmetterlingshaus und in Insektenhotels versammeln sich zahlreiche Vertreter der Insektenfamilien.

Für den NABU Überlingen habe ich 2018 eine Art Pamphlet verfasst,

nachdem ich auf den Hortus Insectorum und das Netzwerk von Markus Gastl aufmerksam gemacht wurde.

Weil die Mainau sich auch dem Insektenschutz verschrieben hat, stelle ich es hier ein, ohne Anspruch auf literarische Qualität!

Die Inhalte der Paarreime sind allerdings unbestritten.

DAS INSEKT
Das Insekt

Vor 400 Millionen Jahren, so wurde entdeckt,
lebte bereits das erste Insekt.

Und jetzt müssen wir leider, ohne Fragen,
seinen gewaltigen Rückgang beklagen.

Früher klebte es an Fensterscheiben,
da brauchen wir es längst nicht mehr abzureiben.

Möglicherweise haben
wir es unter Asphalt begraben?

Oder es hat einfach zu viel Glyphosat, Phosphat, Nitrat geschluckt
und das Zeug einfach nicht ausgespuckt?

Mit Blümchen und Bienchen ist es auch nicht weit her,
Monokulturen sind artenleer.

Auch die Gärten mit Schotter, Granit und Kies
sind für das Insekt kein Paradies.

Selbst der fliegende Luftverkehr
macht dem Insekt das Leben schwer.

Zwischen Hochhäusern findet sich auch nicht schnell
ein angemessenes Insektenhotel.

Nicht mal auf dem Balkon den Zwetschgenkuchen
will so ein Insekt noch einmal versuchen.

Kein Tier tanzt dir, summ summ, brumm brumm,
auf deiner Menschennase herum.

Die Leute müssen sich nun wohl bequemen,
Bestäubung mit Pinseln selbst vorzunehmen.

Und die Insektenfresser, fast hätt ich´ s vergessen,
müssen nun halt jetzt was anderes fressen.

Das Insekt, verachtet und verhasst,
hat sich eben nicht angepasst!

Ach Gott, was wird meine Liste lang,
allmählich wird mir um das Insekt doch bang.

Es dämmert mir langsam, und mir wird klar,
das Insekt ist in großer Lebensgefahr.

Und also zitiere ich Einstein hier:
Erst stirbt das Insekt. Dann sterben wir.

Gisela Munz-Schmidt

WIR FRAUEN

Marita Hornberger
Einladungskarte zu ihrer Ausstellung
Malerei
in Langenargen 2010
Das Geheimnis

Es gibt ein Geheimnis,
das musst du mir lassen.
Sein Kern ist jenseits von Lieben und Hassen,
ist fern von Streicheln oder Streiten, 
weit ist sein Kern von Stunden oder Zeiten,
ist losgelöst von Gut und Böse, Ja und Nein,
ist abgewandt von Grob und Fein
und überschreitet Groß  und Klein,
lebt nicht in Hirn, Herz, Ader oder Bein;
ist weder Glück
noch Grausamkeit,
noch Trauer;
ist wie ein Wind,
ein Hauch,
der geht
und weht
durch jede Mauer.
Sein Kern ist wesenhaft und rein;
ist spürbar,
und doch nie zu fassen.
Dieses Geheimnis musst du mir lassen.

Gisela Munz-Schmidt

Aus:
Erfüllung finden



Marita Hornberger
Marlene Thomsen In: Erfüllung finden

Die Frau

Ich fühl mich wohl in meiner Frauenhaut.
Ich bin zwar nicht so groß und stark gebaut,
doch groß genug, mich ganz zu fassen,
und stark genug, mich ganz zu lassen.

Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenherz.
Es ist zwar nicht so hart und fühlt sehr leicht den Schmerz,
doch hart genug, Schläge zu überstehen
und leicht genug, Fehler zu übergehen.

Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenhaar.
Es wächst, du kannst die Jahresringe sehen.
Ich färb es ein und bleich es aus,
bind‘s fest zusammen, und ich lass es offen wehen.

Gisela Munz-Schmidt
Aus: Erfüllung finden

Rosen am Weg

Ich weiß, es ist zu früh für Rosen, jahreszeitlich.

Aber es ist nie zu früh oder zu spät, die Fülle zu fühlen oder durch neue Pforten zu gehen. Überall und irgendwo stehen Türen offen.

.

Ausweg

Kalter Regen
schnitt in alte Spinnweben
und bleiern bleckte 
der Asphalt.
Da lief ich
und holte mir
einen Arm voll
Rosen.

Gisela Munz-Schmidt

Aus: Kleine Gedichte Große Gefühle

Liebe

Geh doch zu den Rosen,
wenn du wissen willst, 
was Liebe ist.
Sich öffnen. 
Sich verströmen.
Sein Äußerstes 
und Innerstes geben.
Trotz Regen und Sturm und Wind
für die Sonne leben.

Gisela Munz-Schmidt 

Aus: Kleine Gedichte Große Gefühle

Maria

Heute, an Mariä Lichtmess, will ich mich Maria widmen. Ich beschäftige mich zur Zeit unter anderem mit der Mondsichelmadonna oder auch Strahlenkranzmadonna, denn ich lebe im Bodenseeraum in einer kulturkatholisch geprägten Gegend mit zahlreichen Kunstschätzen, welche die Mutter von Jesus darstellen.
In unserem Winter-und Weihnachtsbuch ( mit Aquarellen von Sibylle Buderath im Verlag Stadler Konstanz) steht mein Gedicht in etwas geänderter Fassung:

Maria

Wer bist du? Niemand weiß es genau.
Mutter. Göttin. Frau.

Du hast dein Kind auf die Welt gebracht
unter Schmerzen wie wir. Licht in die Nacht.

Wir sehen dich wieder übergroß,
Pietà, den gekreuzigten Sohn auf dem Schoß.

In Mandorla und Rosenkranz
wirst du verehrt im Kerzenglanz.

Deine Farben sind uns von jeher vertraut.
Vergangen bist du und ewig. Glatt bleibt deine Haut.

Du hast gelebt, geliebt, gelitten, gebüßt.
Maria. Sei mir gegrüßt.

Gisela Munz-Schmidt

Rosenkranzaltar in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Owingen:


Foto aus: Hermann Keller Norbert Zysk , Pfarrei Owingen und Billafingen, 2001

Als Mondsichel- oder Strahlenkranzmadonna wird in der christlichen Ikonographie ein Marienbildnis bezeichnet, das durch die Beschreibung der apokalyptischen Frau in der Offenbarung des Johannes geprägt ist. Die Mutter Gottes steht auf einer Mondsichel, die manchmal auch von einer Schlange umwunden ist, hält meistens das Jesuskind auf dem linken Arm und in der Rechten oft ein Zepter.

Offenbarung 12: ( Übersetzung Martin Luther)

„Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen.“

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