Unsere Hände
Ich sehe eine Hand, seh´, wie sie sucht.
Sie tastet über Ecken, Kanten, Bogen,
als wäre sie von Grenzen angezogen,
voll Unrast, wie ein irrer Geist, verflucht.
Ich blicke stumm auf meine Hände.
Was haben sie getan, was unterlassen!
In ihnen liegt mein Tun, mein Lieben und mein Hassen.
Es ist, als ob mein Leben ich in ihnen fände.
Alle Vergangenheiten fließen durch die Poren,
was wir erstrebten und was wir verspielten,
was wir gewonnen haben und was wir verloren.
Und unsere Hände, sie begriffen, wenn wir fühlten, wenn wir zielten!
Oft leben wir getrennt, einsame Toren.
Wie wäre es, wenn wir uns an den Händen hielten?
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Sonette
Alabasterfigur Diskuswerfer, Teilansicht
Porzellanfigur T. v. Waldenfels, Teilansicht
Ufer
Ufer ist das, was trennt.
Ufer ist das, was verbindet.
Und so ist das Ufer jenes Stück Land,
das ist wie das Wort.
Und die Hand.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Wege zum See, Verlag Stadler, Konstanz
Auf Kommando drücken,rücken,
in Vierergruppen
schieben, wuppen,
hoch das kranzgeschmückte Holz!
Der Zimmerergilde ganzer Stolz!
Unser Applaus ist euer Lohn,
und die Erquickung wartet schon.
Das Brauchtum weiht den Maien ein,
begleitet vom Musikverein.
Gisela Munz-Schmidt
Aquarell von Sibylle Buderath Aus dem Lyrikbildband Wege zum See, Verlag Stadler Konstanz
Frühling am See
Der Frühling kam fast über Nacht,
vertraut, ersehnt,
und schaut und lehnt
am Wiesenrand,
am Gartentor,
und alles steht in vollem Flor
und blüht in heller Pracht.
Die Welt kommt mir verändert vor,
verwandelt See und Land.
Der Frühling ist ein Zauberer.
Er herrscht mit leichter Hand.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Wege zum See
Aquarell von Sibylle Buderath Veilchen 2016 16×20 cm
Frühlingsblumen blühen
Die Tage werden wärmer.
Aus Tieren und aus Menschen werden Schwärmer.
Himmelsschlüssel auf den Wiesen,
Tuffs und Horste roter Tulpen,
die in allen Gärten sprießen,
bunte Primeln, Osterglocken,
wie ins Weite, Freie sie Dich locken,
an geheim gehaltenen Stellen
blühen weiche Küchenschellen,
Mauern blauer Blütenkissen,
Beete gelber Prachtnarzissen,
Veilchen heben´ s Köpfchen aus den Grasverstecken,
und wie selbst die kleinsten Gänseblümchen
sich dem Licht zustrecken,
wie sie glühen und wie sie sich recken -
Die Tage werden länger.
Aus Tieren und aus Menschen werden Sänger.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz
„Wenn du mit einem Fuß auf sieben Gänseblümchen treten kannst, dann ist Frühling.“ Deutsches Sprichwort
“When you can tread on nine daisies at once, spring has come.“
English Proverb
Aquarell von Sibylle Buderath Aus dem Lyrikbildband Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz
Gänseblümchen
Erinnere dich:
Die Welt war voller Schnee.
Aber alles
weggeschmolzen,
fortgeweht
und aufgetaut
und nun sehen wir,
entzückend und vertraut,
diese
süßen kleinen Augensternchen
auf der grünen Wiese.
Gisela Munz-Schmidt
Willst du dich am Ganzen erquicken,
so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken.
Johann Wolfgang von Goethe
Man sollte alle Tage ein kleines Lied hören,
ein gutes Gedicht lesen,
ein treffliches Gemälde sehen und,
wenn es möglich zu machen wäre,
einige vernünftige Worte sprechen.
Johann Wolfgang von Goethe
Macht die Liebe, die Kunst jegliches Kleine doch groß.
Eines meiner liebsten Gedichte lautet:
Ich liebe das Eis,
wenn es schmilzt,
denn ich liebe Wärme und Wasser,
und ich lebe den Kreis.
Gisela Munz-Schmidt
Es stimmt aber leider nicht mehr, denn:
Ich fürchte das Eis, wenn es schmilzt, zum Beispiel in den Alpen oder in der Arktis,
und ich hasse die Wärme, wenn sie in Hitze ausartet
und Flüsse und Seen austrocknet wie in Südfrankreich und in Norditalien,
und ich habe Angst vor dem Wasser, wenn es in Sturzfluten kommt wie zum Beispiel im Ahrtal oder wenn die Meeresspiegel weltweit steigen.
Aber Eis, Wasser und Wärme können wirklich nichts dafür!
Welchen Kreis lebe ich denn?
Im Winter
Kristalle und Flocken
decken die Erde
in dichter Schicht.
Darüber schreiten,
stapfen und gleiten.
Frische des Winters
im warmen Gesicht.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Winter-und Weihnachtsbuch
Sibylle Buderath Winter in den Bergen Aus: Winter-und Weihnachtsbuch
Die Haltnau bei Meersburg Aquarell von Sibylle Buderath
Wendelgard von Halten
Die Haltnau-Sage erzählt uns genau
die Geschichte einer besonderen Frau.
Schlechtes und Gutes, Fluch und Segen
tat das Schicksal ihr in die Wiege legen.
Doch was es ihr auch hat gebracht,
sie hat das Beste daraus gemacht.
Erbin war sie von großem Besitz
direkt am See - und Mutterwitz
und ein klarer Verstand,
eine liebe Art, eine offene Hand,
das alles sprach man gern ihr zu.
Aber anderes ließ ihr keine Ruh:
Sie trug einen Höcker auf dem Rücken,
konnte schlecht gehen und kaum sich bücken,
war überdies auch im Gesicht
wahrhaftig eine Schönheit nicht.
Sie hatte ein Schnäuzlein wie das eines Schweines,
ein Rüsselchen eben, wenn auch ein kleines.
Je älter sie wurde, je mehr offenbar
warn die Mängel, und sie ihrer gewahr.
Es ließ auch das Höhnen und Spotten nicht nach.
So seufzte sie häufig:“O weh und o ach!“
und weinte in ihr Schüsselchen:
„Keiner gibt mir ein Küsselchen!“
Oft hat sie darüber nachgedacht,
die Tränen getrocknet: „Es wär doch gelacht,
wenn alles, selbst wenn ich mich schäme,
nicht doch ein glückliches Ende nähme!
Schließlich hinterlasse ich, wenn ich sterbe,
ein beachtlich großes Erbe!“
Also schritt sie energisch zur Tat
und ließ kommen den Meersburger Rat,
dem sie die Sache zur Sprache brachte
und ausgeklügelt den Vorschlag machte:
Bis an ihr seliges Ende sollte
einer der Räte, so wie sie es wollte,
jeden Sonntag, nach dem Morgenkuchen,
zur Gesellschaft sie besuchen,
sie würden ausfahren und dinieren,
ubd danach noch gut soupieren,
und zum Abschied gäb‘s als Dank ein Küsselchen
auf das Wendelgardsche Rüsselchen.
So hätte sie wenigstens wöchentlich eben
eine schöne Freude und etwas vom Leben.
Und wenn ihr Gott dann die Lider schließe
erbe Meersburg alles, Weinberg und Wiese.
Aber der Rat tat sich gerieren,
die Räte sich genieren und zieren,
und sie gaben hochnäsig abschlägig Bescheid
und sagten nicht einmal: „Es tut uns leid.“
Jungfer Wendelgard ließ sich‘s nicht verdrießen
und kam zu folgendem Beschließen:
Wenn der Nachbar gar nicht will zur Linken,
werde ich über den Bodensee winken,
vielleicht geht Konstanz den Handel ein
und will der Haltnau Besitzer sein?
Sie trug ihr Erbe Konstanz an,
und die Räte, Mann um Mann,
kamen , ohne zu murren oder zu fluchen,
tapfer zum sonntäglichen Besuchen.
Sie standen pflichtschuldig durch das Programm,
und als dieses jeweils zu Ende kam,
gab‘s noch zum Schluss auf‘s Rüsselchen
ein beherztes Küsselchen.
So ging es Woche um Woche, Jahr um Jahr,
und als Wendelgard betagt gestorben war,
fielen Wiese und Weinberg und Ross und Kuh,
fiel alles den wackeren Konstanzern zu.
Konstanz hat Mitleid und Weitblick bewiesen,
und wir können die Haltnau noch heute genießen.
Gisela Munz-Schmidt
Quellen: Gedenktafel am Weingut Haltnau und Theodor Lachmann, Sagen und Bräuche am Überlinger See, Weißenhorn, 1972
Unter diesem Titel habe ich 2018 mit der Owinger Hobbymalerin Ursula Dieterich Lesezeichen, Karten und einen Flyer zusammengestellt. Wir lieben unsere Singvögel natürlich nicht nur im Winter, aber an unseren Futterplätzen kommen sie uns besonders nahe. Wir lieben sie nicht nur wegen ihrer Schönheit, ihrer Nützlichkeit und wegen ihres Gesanges, sondern vor allem, weil sie wie wir ein Teil der Natur sind, die wir achten und schützen wollen.
Ophelia und Ruby haben sich inspirieren lassen!
In diesem November stelle ich Euch nach und nach unsere Wintergäste vor!
Rotkehlchen Robin
Rotkehlchen Erithacus rubecula aus der Familie der Drosseln, Aquarell von Ursula Dieterich
Rotkehlchen
Ganz nahe am Haus
kennt es sich aus,
unser kleines Vogelseelchen!
Spitzer Schnabel, weiche Federn,
rotes Kehlchen.
Gisela Munz-Schmidt
Buntstiftzeichnung von Ophelia
Rotkehlchen Wachsmalerei von Ruby, als sie 5 Jahre alt war
Rotkehlchen Aquarell von Ursula Dieterich
Robin
Rusty-red chest
and little sharp bill
swiftly hopping
in winter and chill,
with tiny fine feathers,
gray, white and soft,
curious and nosy
around house and loft.
He certainly is our sweetest guest:
Robin Redbreast.
Gisela Munz-Schmidt
Rotkehlchen Aquarell von Ursula Dieterich
Die häufigsten Gäste sind bei uns zur Zeit Blaumeisen und Kohlmeisen. Sie kommen in Gruppen, picken einzelne Körner und fliegen flink weiter. Wenn sie sich sicher fühlen, entkernen sie die Sonnenblumensamen vor Ort mit energischen kurzen Hieben, tick, tick, tick,tick!
Blaumeisen, Kohlmeisen und die Haubenmeise Blue Tit, Great Tit aNd Crested Tit
Blaumeisen im Winter , Aquarell von Ursula Dieterich
Meisen
Ja die Meisen kommen alle wieder
mit dem Gelb- und Blaugefieder,
und sie zwitschern ihre Sänge
um die runden Fettgehänge,
und sie fressen alle gerne
leckere Sonnenblumenkerne-
ist die Welt auch schneebedeckt:
Unser Tisch ist gut gedeckt!
Gisela Munz-Schmidt
Wachsstiftmalerei von Ruby
Blue Tits
As snow flakes glitter
Blue Tits, how they twitter!
Full of good mood and wits.
Every fine feather fits.
I am ready to feed
them all they need.
Nuts and grain and seed,
tasty fatty little bits.
Gisela Munz-Schmidt
Haubenmeise Parus cristatus, Aquarell von Ursula Dieterich
Haubenmeise
Diesem kleinen Vogelzwerge
steht ein kecker Schopf zu Berge,
es sorgte die kühne Mutter Natur
für eine kesse Punkfrisur.
So zaubert dieser winzige Wicht
ein Lächeln in jedes Menschengesicht.
Gisela Munz- Schmidt
Crested Tit
The most outstanding hairstyle in town-
the Tit, a little clown with a crown!
As small as its sister in Blue, and a bit
more elegant than the yellow Great Tit.
A look -with birds rarely used-
makes watchers fondly amused!
Gisela Munz-Schmidt
Dompfaffenpaar Aquarell von Ursula Dieterich
Natürlich kommen auch die geselligen Sperlinge in Scharen – Spitzname: Spatzen. Da wir auf dem Land wohnen, sind bei uns die Feldsperlinge mit ihren kleinen schwarzen Ohrenschützern häufiger als die Haussperlinge. Sie fahren mit ihren Schnäbeln wild im Futterangebot herum und streuen viele Kerne auf den Boden, was wiederum anderen Bodenfressern zugute kommt, den Buchfinken zum Beispiel
Sperlinge Sparrows
Ein Feldsperlingspaar , Aquarell von Ursula Dieterich
Wenn‘s kalt wird und friert zum Gotterbarmen,
dann sucht man die Nähe zum Nächsten, zum Warmen,
zu Seinesgleichen, zum Schatz.
Das gilt auch für Familie Spatz!
Gisela Munz-Schmidt
Die drei Spatzen, Aquarell von Ursula Dieterich
Familie Spatz
Großfamilie Spatz
füllt den ganzen Platz!
Sie schwirren und sie stieben,
voller Tschilp und Ulk,
aber lange sind sie nicht geblieben,
immer streitbar gut gelaunt und heiter
ziehen sie weiter,
stets im Pulk.
Gisela Munz-Schmidt
The Sparrow Family
Be the bird feeder small, tall, broad or narrow
its food is all fun to Family Sparrow.
Their slogan is simple: no order,
no border.
They eat while they chirp
and they chirp while they eat
and enjoy to the fullest the generous treat.
After filling their bellies
they are flinging the rest
to the very next best
and with spirits high
off they fly.
Gisela Munz-Schmidt
Zaunkönig
Warum wir das Vögelchen Zaunkönig nennen?
Nicht jeder kann seine Geschichte kennen.
Versammelt waren alle Vögel -Hähne und Hennen.
König sollte sein, wer am höchsten kann fliegen.
Dieser würde im Hochflug-Wettbewerb siegen,
um den majestätischen Titel zu kriegen.
Der stolze Adler begann zu hoffen,
hoch stieß er, und der Himmel schien offen,
alle anderen Vögel schauten betroffen:
Kein Zweifel war möglich, ohne Besinnen
war allen klar: Er würde gewinnen!
Doch in seinem Gefieder tief drinnen
war ein kleiner Vogel mit hochgeflogen.
Als der Adler umdrehte, hatte der sich erhoben
und rief: Der König bin ich! Und ungelogen
riefen alle Vögel:Der König bist du, kleiner Wicht!
Größe und Stärke allein zählen nicht!
Und hier endet das Zaunkönigskrönungsgedicht.
Gisela Munz-Schmidt Dem ZaunkÖnig auf unserem Balkon gewidmet Nach der Fabel von Aesop
Dieses Gedicht durfte ich groß an die Wand des Aufenthaltsraumes im Staufer-Gymnasium Pfullendorf schreiben.
Weitere Variationen über das Wort liegen in kalligraphischen Versuchen vor:
,
Foto: Dr. Werner Schmidt
Wunsch
Am liebsten schriebe ich
in Klängen nur und Zeichen.
Die weichen Wörter nähme ich
und sagte sie mit halbgeschlossenen Augen
und fühlte Kräfte unter ihnen taugen
und Farben sängen drüber hin,
und endlich wüsste ich, wer du bist, wer ich bin.
Und ich verstände endlich, was das ist: Die Liebe.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Gedichte gegen Gewalt
Im Wald verborgen an heimlichem Platz
finden die Sucher ihren Schatz,
denn zwischen Moos und Flechtenfilz
wächst so mancher Speisepilz.
Finden macht Freude, gut essen auch,
deshalb ist Sammeln beliebter Brauch.
Es braucht ein wohltrainiertes Auge,
ob so ein Pilz zum Essen tauge,
denn wenn man einen Falschen trifft,
ist dieser innen voller Gift!
Es würd im Magen richtig flau,
genöss man Trichterling Nebelgrau,
und auch der braune Strubbelkopf
soll nicht in einen Suppentopf!
Bringe ja nicht auf den Tisch
den Pilz gleich einem Tintenfisch.
Es wächst auch giftig stolz und bitter
am End der Violette Ritter!
Du solltest auf keinen Fliegenpilz fliegen,
denn du könntest üblen Krämpfen erliegen.
Siehst Stinkmorcheln du und das Hexenei,
geh wie auch beim Satansröhrling schnellstens vorbei!
Sieht einer aber aus wie Stein,
schmeckt er gebraten köstlich fein,
und wenn ich ganz genau hingucke,
seh ich im Klee die Krause Glucke,
zu Hause gesäubert, mit Eischaum garniert,
danach gebacken oder frittiert.
Saftlinge - paniere sie und brate,
seien sie kegelig oder rot wie Granate,
und wie ein Kuhmaul, feucht vom Schlecken,
kannst du den Kuhmaulpilz dir lassen schmecken.
Vom Walde draußen, alles frisch,
landen die Pilze auf unserem Tisch.
Wir finden sie in Forst und Flur,
feine Geschenke der Mutter Natur!
Gisela Munz-Schmidt
Für alle Pilzfreundinnen und Pilzfreunde, besonders aber für Sibylle und unsere Nachbarin Ully, für Christian und Jaron und meine verstorbene Schwester Brigitte, die das “Pilzauge“ hatte!
Schwammerln
Gelbe Pfifferlinge in der Pfanne,
das duftet nach Waldspaziergängen
und nach Kindheit,
als ich noch klein war
und froh,
einen Steinpilz
von einem Pfifferling
unterscheiden zu können
und beide richtig benennen.
„Schwammerln“,
sagte mein Vater,
in der Steiermark geboren,
und meine schwäbische Mutter sagte:
„So, jetzt isch alles in Butter,
und drüber für jeden ein Ei.“
Gisela Munz-Schmidt
Ich wünsch dir Glück, doch lass es bleiben, dir dieses Glück einzuverleiben!
Im Wein
Eines ganzen Sommers volles Leben
wächst in den Reben.
Sonne, Wind und Hitze,
Regen, Hagel, Blitze,
mancher Tage Schwüle,
mancher Nächte Kühle,
die leichten Stunden,
die schweren,
das alles liegt in den Beeren.
Nach dem Lesen
kommt das Wesen
der Zeiten
ins Glas hinein.
Und du schmeckst,
wie das Jahr war,
im Wein.
Gisela Munz-Schmidt
Rudolf Munz Stillleben mit Zitronen , Weinglas und Kerze , Detail, Öl, 1995
In vino veritas
Wein wärmt und mundet
und rundet
den Tageslauf.
Erinnerungen blitzen auf
von neuen und von alten Zeiten,
so gleiten
sie selig und sacht
hinüber in die Dämmerung und in die Nacht.
Gefühle und Gedanken zerfließen.
Im Wein die Wahrheit suchen?
Die Macht der Sucht verfluchen?
Die Wahrheit liegt zwischen den Zeilen.
Das Glück liegt im Verweilen
und im wohltuenden Genießen.
Gisela Munz-Schmidt
Ernte aus dem eigenen Garten
Veränderung
Es ist eine andere Wärme,
die aus dem Kühlen entsteht.
Es ist ein anderer Wind,
der jetzt den Herbst herweht.
Es ist eine andere Sonne,
mit weicheren, milderen Strahlen.
Und andere Farben sind es,
die Blüten und Blätter und Früchte malen.
Gisela Munz-Schmidt
Das Füllhorn
Wenn du im Park spazieren gehst,
die bunten Blätter unter deinen Füßen,
die Statue siehst am Wegesrand,
mit einem Füllhorn übergroß in Arm und Hand -
Ein Füllhorn, nein,
ist nie aus Stein!
Aus warmen Händen ist es,
weicher Haut,
lebendiger Stimme,
die dir wohl vertraut,
und auch aus Augen,
die dir Liebe lächeln
und dich grüßen.
Gisela Munz-Schmidt
Nashibirne in unserem Garten, die einzige in diesem Jahr 2022
Die Birne
So ein sanftes Gelb.
Im Frühling flog ein Falter,
ließ seine Farbe als Erinnerung.
So ein sanftes Gelb.
Im Sommer schien die Sonne,
ließ ihre Farbe als Erinnerung.
So ein saftig-sanftes Gelb.
Im Spätjahr ist die Frucht nun reif und zart.
Und Falter und Sonne sind wieder Gegenwart.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Bäume am Weg, Verlag Stadler, Konstanz
Sonnenblume Helianthus annuus
Herbstgedanken
Mit den Schwalben südwärts ziehen?
Mit den Blättern treiben?
Volle Körbe roter Äpfel stehn im Garten,
blaue Trauben warten,
goldene Sonne spendet lächelnd ihren Schein.
Mit den Schwalben südwärts ziehen?
Mit den Blättern treiben?
Pflücken. Ernten. Zufrieden sein.
Süße genießen und bleiben.
Gisela Munz-Schmidt
Villeroy & Boch Luxembourg
Ein Herbsttag
Am kühlen Morgen
über feuchten Wiesen
weiße Nebelstreifen.
Doch mittags leuchten
Dahlien, Astern, Sonnenblumen,
und an den Bäumen siehst du,
wie die Früchte reifen.
Gisela Munz- Schmidt
Sibylle Buderath Aquarell in dem Lyrikbildband Bäume am Weg Verlag Stadler, KonstanzSibylle Buderath Aquarell in dem Lyrikbildband Bäume am Weg Verlag Stadler, Konstanz
Der Apfelbaum
Wie aus dem zarten rosenfarbenen Hauch
die feste rote Frucht wird,
die man greifen kann,
wie aus dem einen kleinen Kern
der große runde Baum wird,
den man messen kann,
wie aus dem schwachen grünen Zweig
der starke dunkle Ast wird,
den man fassen kann,
das sehe ich als
unbegreiflich,
unermesslich,
als unfassbar
an.
Gisela Munz-Schmidt
Aus dem Lyrikbildband Bäume am Weg, Verlag Stadler, Konstanz
In vielen Bäckereien liegen sie verlockend aus, die zweifarbigen süßen beliebten Traditionsgebäcke in Brezelform.
Natürlich kann man sie auch selber backen:
Das Rezept:
Ein Blätterteig wird mit Wasser bestrichen und ein dunkler Mürbeteig ( 250 g Mehl, 125 g Butter, 100 g Zucker, Vanillezucker, 40 g Kakaopulver, 1 Ei, 1 TL Backpulver, 1 Prise Salz) darauf gelegt. Längs 2 Zentimeter breite Streifen abschneiden und zu Brezeln drehen. Mit Eimilch bestreichen und Mandeln darüber streuen.
Im heißen Ofen ungefähr 10 Minuten backen.
Olgabrezelreime
Es nehmen Vater oder Mutter
ein Viertel Pfündlein weiche Butter
und Mehl, ein halbes Pfund, gesiebt,
dann Kakaopulver, wenn‘s beliebt,
davon zwei Löffel oder drei,
die Prise Salz ist auch dabei
(natürlich auch ein ganzes Ei),
doch zu vollendetem Genuss
fehlt noch die Schapfe Zuckerschuss!
Alles verknetet wird, tadellos,
die Masse fein zu einem Kloß.
Und dann: Die Hände in den Schoß!
Es gibt ´ne Stunde nichts zu tun!
Der Teig muss eingewickelt ruhn.
Obwohl ja manche heiß es lieben,
will unser Teig im Kühlen liegen.
Nachdem vorbei das Ruhen und Verstecken,
darf unser Teig, nun flach gewalzt, den Blätterteig bedecken.
Er wird dann mit diesem, gedreht in Streifen,
auf ein Backblech gelegt in Brezelformschleifen.
Mit Eimilch bestrichen, mit Mandeln bestreut,
die Olgabrezeln die Schwaben erfreut!
Doch nicht nur die Schwaben und Schwäbinnen allein,
auch Gäste und Nachbarn finden sie fein!
Olga gewidmet, der Frau auf dem Thron,
hat die Russische Brezel bei uns Tradition!
Gisela Munz-Schmidt
Das Rezept wurde in Stuttgart für Königin Olga von Württemberg kreiert. Olga wurde 1822 in Sankt Petersburg als Tochter des Zaren Nikolaus I. geboren, gestorben ist sie 1892 in Friedrichshafen.
1864 bestieg sie mit Karl I. den württembergischen Thron, blieb kinderlos und ist als Wohltäterin und Stifterin bekannt.
Hierzulande begleiten die Brezeln ein Leben.
Sie werden schon kleinen Kindern gegeben,
spätestens dann, wenn sie greinen und zahnen.
Man gibt sie später noch zahnlosen Ahnen.
Dazwischen zu jeder Gelegenheit,
zur Morgen- und zur Abendzeit.
Die Brezel ist von früh bis spät
eine köstliche Spezialität!
Gebuttert oder ungebuttert,
ein jeder gerne die Brezel futtert,
zu Milch, zu Most und zum Kaffee,
zu Wein, zu Sekt, zu Saft und Tee,
und manche sind so auf die Brezeln versessen,
dass sie sogar Weißwürste mit Brezeln essen!
Rösch, braun und salzig über der Lauge,
zu jedem Imbiss die Brezel tauge,
bei der sich das Weiche mit dem Harten
auf wirklich gelungene Weise paarten.
Kulturelles Urgestein?
Nein und nein und nochmals nein!
Die Brezel, die wir uns lassen munden,
wurde in hoher Not erfunden.
In Bad Urach lebte ein Bäckersmann,
der eine Untat hatte getan.
Man hatte ihn bekommen zu fassen,
und er sollte nun sein Leben lassen.
Doch weil´s einen Unbescholtenen traf,
hatte Mitleid der Richter, ein alter Graf,
und sprach zu ihm: “Du kannst noch hoffen,
ich lasse dir einen Ausweg offen,
entweder bist du morgen tot,
oder du bäckst mir noch heute ein Brot,
durch das die Sonne dreimal scheint,
dann bist du frei mit den Deinen vereint.“
Der Bäcker, der seinen Frevel bereute,
ging schnell ans Werk, keine Mühe er scheute,
aber es wollte ihm nicht gelingen,
ein solches Kunstwerk fertig zu bringen.
Da nahm er vom Brotteig ein kleineres Stück,
rollte den Teig hin und wieder zurück
mit bebendem Herzen und angst und bange
dachte er an den Teufel, die Schlange,
die ihn vom Galgenseil würde trennen
und ließe ihn in der Hölle brennen.
Da erschrak er bis in sein Inneres hinein,
schlug die Enden im Zeichen des Kreuzes ein,
während er an die Erlösung dachte.
Ein kleines Wunder war, was er da machte!
Er buk´s, und als er´s hob, siehe da!
Die Sonne er dreifach scheinen sah.
Da war auch für den Grafen klar,
dass der Bäcker dadurch gerettet war.
So wurde in todesschweren Stunden
in Bad Urach die erste Brezel erfunden.
Gisela Munz-Schmidt
Nach Ines Heim, Sagen von der Schwäbischen Alb,
Karlsruhe, 1992
Summer
Summer sets sail,
sun and sunshine prevail.
Harbour good-bye,
gold ‘s in the sky.
Breezes blow well,
spinnakers swell -
every wind‘s friend am I.
Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Sibylle Buderath Abendstimmung mit Booten vor der Insel Reichenau Aquarell 2020
Föhnstimmung
In der Silberschmiede
des Windes
schmilzt der See
und glänzt sich aus.
Da glänze ich wortlos
mich ein.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Foehn Mood
This is what happens many a day.
At a sudden it's warm
in a very strange way.
The air is clear.
The mountains seem near.
The lake shines like a melting pot.
Glittering shivering burning hot.
A prince and a princess.
An access. An excess.
From long ago and recently told.
Love is madness.
A fancy. A frenzy.
Water is silver and gold.
Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Marita Hornberger Am Wasser II 2007 Acryl auf Maltuch
Wasser
Mach mich doch nass -
es sprinkelt und glitzert und spritzt,
es perlt und trieft und tröpfelt,
es wellt und quillt und patscht,
es gluckst und glänzt und blubbert,
es schlabbert und schlubbert,
es quirlt und strudelt,
es sprudelt -
Wasser macht Spaß!
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Foto: Georg Schmidt
Water
It sprinkles
and splishes
and sploshes
and splashes.
It rushes
and dashes.
It hurts
and it cools.
It is fear
and it‘ s fun.
It fools
with the wind
and it smiles
with the sun.
Gisela Munz- Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Foto: Georg Schmidt
Ein Kinderleben
Ein Kinderleben, ein Kinderland,
braucht Sonne und Hände, Wasser und Sand.
Hinter dem Deich und hinter dem Damm
hört die Welt auf, fängt die Welt an.
Hinter der Düne und hinter dem Deich
ist alles anders, sind alle gleich.
Bei Ebbe und Flut
ebbt alles ab, wird alles durchflutet,
und alles ist gut.
Gisela Munz-Schmidt
The Water in the Lake
Water of constant flow.
Water from ice and from snow,
from running falls of the mountains,
water of rivers and fountains,
water from streams and from brooks and from wells,
of rain, that fell drop by drop,
water that seeps and that swells.
Vapour and condensation.
Abundance and concentration.
Eternal circle
without any stop.
Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Mein Fluss. Der Neckar
Wie jeder seine Bahn,
wie jeder seinen Weg,
so hat auch jeder
seinen Fluss.
Mein Fluss ist schmal und breit,
fließt zügig und hat Wehre.
Mein Fluss hat Arme alt und neu,
fließt dicht und dunkel aus der Kinderzeit
und hell und klärend durch die Zeit der Lehre.
Er mündet schwer beladen.
Wenn ich ihn heute suche,
sehe ich,
wie sich die Bahnen
und die Wege ändern.
Und finde doch den alten Schimmer
und die alten Stege
an seinen goldenen grünen Rändern.
Gisela Munz-Schmidt
Am Neckar in Heilbronn 2022
Das Wasser
Es ist Stauung und Fluss.
Entzücken. Verdrießen.
Ist Stocken und Gießen.
Ist Starren und Schießen.
Ist Woge und Wiege und Welle.
Ist Quelle, Sog, Wirbel und Schnelle.
Ist Schnee auf dem Dach
und ist Eis unterm Fuß.
Ist Qual und ist Not und ist Strafe und Muss.
Ist Kuss auf den Lippen,
Glanz, Gunst und Genuss.
Es ist Anfang und Mitte und Schluss.
Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser
Die alte Hydra mit den vielen Köpfen
und mit keinem
taucht wieder auf.
Du schlägst. Das Wasser weicht.
Du krallst. Und hast doch leere Hände.
Du dämmst es ein. Es dringt durch alle Wände.
Du kannst‘s nicht zwingen, und du kannst es nicht zerbrechen.
Wenn du es säuerst, wird sich´s ätzend rächen
und hilft dir doch, wenn deine Kraft nicht reicht.
Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser ist wie wir
Das Wasser ist wie wir.
In einer weichen Wolke Schoß
wird langsam reif es und bereit
und wartet eine angemessene Zeit,
dann löst‘s sich los.
Das Wasser ist wie wir.
Als kleiner Tropfen schlägt‘s ungewappnet auf.
Es trifft auf eine vorbestimmte Stelle
in einen Kreis und wird zur Welle
und unentrinnbar rinnend beginnt es seinen Lauf.
Das Wasser ist wie wir.
Es will gesellig sein,
bringt sich bewegt bewegend in das Leben ein,
treibt um und an, wirkt hin und her
im großen Strom und mündet und geht auf im Meer.
Das Wasser ist wie wir.
Den Kreislauf zu vollenden
sucht es von Wärme angezogen
den hohen Himmelsbogen.
Und Enden wird zu Wenden.
Das Wasser ist wie wir...
Gisela Munz-Schmidt
Marita Hornberger Unterwasser V
Im Wasser
Ich liege treibend auf dem Wasser,
und es wachsen mir
Gedanken aus dem Kopf und Worte
so wie Haare.
Ich suche tastend zu ergründen,
ob das,
was wehend aus mir wächst,
ein Teil ist auch von mir,
oder ob ich,
so treibend,
ein Wesen schon geworden bin der andern Welt,
die ich nicht kenne,
ich mir selber fremd.
Ich fühle jede einzelne Wurzel aus mir wachsen
und geh mit jeder Faser auf in meinem Element
und bin mit meiner Haut und meinen Haaren
vom Wasser völlig ungetrennt wie Wasserpflanzen.
Ein abgegrenzter Teil.
Und doch ein Teil vom Ganzen.
Gisela Munz-Schmidt
Mein Element
Das wilde Wasser ist mein Element,
wenn’s hoch in tausend Tropfen schlägt,
weil es mich nimmt und es mich kennt,
weil es mich hält und weil‘s mich trägt.
Das milde Wasser ist mein Element,
wenn‘s weich mir um die Füße spielt,
wenn‘s zärtlich an die Brust mir zielt
und weil‘s, was brennt, mir kühlt.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Foto: Dr. Werner Schmidt
Two Faces of Water
Water is mild
like bathing a child,
tender and soothing
and smoothing.
Strong and seductive,
hard and destructive
water is wild.
Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Foto: Dr. Werner Schmidt
Dieses Meer
Dieses Meer ist mir zu groß,
wirft mich um,
treibt mich aus
blauer Lippen,
jagt mir kalte Schauer
über und über -
diese harten Steine
brennen in meine Füße
ihre spitzen alten unmissverständlichen Zeichen:
Ich bin,
spricht die Erde,
stärker als du,
kleiner Mensch,
und das sagt sie
ohne Hohn,
einfach so,
übermächtig.
Gisela Munz-Schmidt
Farewell
Schwimm, Liebes, schwimm,
ich halte dich nicht mehr.
Du gehst hinunter
und du suchst das Meer,
ich werde bleiben.
Schwimm, Liebes, schwimm.
Die Wege trennen sich.
Zwei Schiffe, die sich grüßen.
Zwei Schiffe ohne Wiedersehen,
die zu verschiedenen Häfen gehn,
die unter anderen Farben stehn
und andere Segel hissen.
Zwei Menschen, die die Winde und die Zeit
aus ihren Armen rissen.
Die auseineinandertreiben.
Und wie du bist und wie du warst
werd ich mit wunden Fingern in die Haut
von anderen Lieben schreiben.
Ich werde dich vermissen.
Gisela Munz-Schmidt
Frühling auf der Mainau Aquarell von Sibylle Buderath
Mainau
Bäume, mächtig,
alt und stark,
Blumen, prächtig
im weiten Park,
Beete von Blüten,
von blauen und roten,
Exoten
wie Boten,
barocke Räume,
Tulpen, Dahlien, Rosenträume,
Brunnen, die sich am Wege ergießen,
bunte Pflanzen an Hängen, in Wiesen,
Gewächse, welche gedeihen und sprießen,
Farben, die ineinanderfließen:
Kommen. Bleiben. Genießen.
Gisela Munz- Schmidt
Aus: Wege zum See
Sommertag auf der Mainau Aquarell von Sibylle Buderath
The Island of Mainau
An island that holds
very special treasures,
full of blooms and of butterflies,
full of wonders and pleasures.
The tulips in spring,
in summer the roses,
beautiful dahlias late in fall.
The charms of nature this island exposes.
Full of trees and fine flowers,
and I do love them all.
Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
An die Insel Mainau habe ich viele persönliche Erinnerungen – an Besuche allein, mit Familie oder mit Freundinnen und Freunden.
In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder ein, wie sich Sibylle Buderath und ich auf unser Buch „Rosen am Weg“ vorbereiteten. Sibylle wollte ihre Rosenaquarelle „en plein air“ malen, wurde aber immer wieder von neugierigen Menschen gestört, die ihr über die Schulter blicken wollten. So zogen wir zu zweit los, sie verschwand hinter die Rosenbüsche mit ihrer Staffelei, fand Motive zum Malen, und ich stand vorne als Wächterin am Weg und ließ mich durch Beobachtungen und Einsaugen der rosealen Atmosphäre inspirieren, konnte so die Leute ablenken, und wenn Sibylle fertig war, gingen wir zusammen ins Café und schauten und besprachen, welche Bilder und welche Texte zusammenpassen könnten.
Hier drei Beispiele aus unserem Lyrikbildband ROSEN AM WEG:
Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz- Schmidt
Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz-Schmidt
Aquarell von Sibylle Buderath
Gedicht von Gisela Munz- Schmidt
Auf der Insel Mainau wird nicht nur der Schönheit und Vielfalt der Pflanzen gehuldigt, sondern durch naturnahe Areale und informative Anlagen wird auch das ökologische Bewusstsein geschärft.
Besonders der Insektenschutz verdient Beachtung! Im Schmetterlingshaus und in Insektenhotels versammeln sich zahlreiche Vertreter der Insektenfamilien.
Für den NABU Überlingen habe ich 2018 eine Art Pamphlet verfasst,
nachdem ich auf den Hortus Insectorum und das Netzwerk von Markus Gastl aufmerksam gemacht wurde.
Weil die Mainau sich auch dem Insektenschutz verschrieben hat, stelle ich es hier ein, ohne Anspruch auf literarische Qualität!
Die Inhalte der Paarreime sind allerdings unbestritten.
DAS INSEKT
Das Insekt
Vor 400 Millionen Jahren, so wurde entdeckt,
lebte bereits das erste Insekt.
Und jetzt müssen wir leider, ohne Fragen,
seinen gewaltigen Rückgang beklagen.
Früher klebte es an Fensterscheiben,
da brauchen wir es längst nicht mehr abzureiben.
Möglicherweise haben
wir es unter Asphalt begraben?
Oder es hat einfach zu viel Glyphosat, Phosphat, Nitrat geschluckt
und das Zeug einfach nicht ausgespuckt?
Mit Blümchen und Bienchen ist es auch nicht weit her,
Monokulturen sind artenleer.
Auch die Gärten mit Schotter, Granit und Kies
sind für das Insekt kein Paradies.
Selbst der fliegende Luftverkehr
macht dem Insekt das Leben schwer.
Zwischen Hochhäusern findet sich auch nicht schnell
ein angemessenes Insektenhotel.
Nicht mal auf dem Balkon den Zwetschgenkuchen
will so ein Insekt noch einmal versuchen.
Kein Tier tanzt dir, summ summ, brumm brumm,
auf deiner Menschennase herum.
Die Leute müssen sich nun wohl bequemen,
Bestäubung mit Pinseln selbst vorzunehmen.
Und die Insektenfresser, fast hätt ich´ s vergessen,
müssen nun halt jetzt was anderes fressen.
Das Insekt, verachtet und verhasst,
hat sich eben nicht angepasst!
Ach Gott, was wird meine Liste lang,
allmählich wird mir um das Insekt doch bang.
Es dämmert mir langsam, und mir wird klar,
das Insekt ist in großer Lebensgefahr.
Und also zitiere ich Einstein hier:
Erst stirbt das Insekt. Dann sterben wir.
Gisela Munz-Schmidt
Marita Hornberger Einladungskarte zu ihrer Ausstellung Malerei in Langenargen 2010
Das Geheimnis
Es gibt ein Geheimnis,
das musst du mir lassen.
Sein Kern ist jenseits von Lieben und Hassen,
ist fern von Streicheln oder Streiten,
weit ist sein Kern von Stunden oder Zeiten,
ist losgelöst von Gut und Böse, Ja und Nein,
ist abgewandt von Grob und Fein
und überschreitet Groß und Klein,
lebt nicht in Hirn, Herz, Ader oder Bein;
ist weder Glück
noch Grausamkeit,
noch Trauer;
ist wie ein Wind,
ein Hauch,
der geht
und weht
durch jede Mauer.
Sein Kern ist wesenhaft und rein;
ist spürbar,
und doch nie zu fassen.
Dieses Geheimnis musst du mir lassen.
Gisela Munz-Schmidt
Aus:
Erfüllung finden
Marita Hornberger Marlene Thomsen In: Erfüllung finden
Die Frau
Ich fühl mich wohl in meiner Frauenhaut.
Ich bin zwar nicht so groß und stark gebaut,
doch groß genug, mich ganz zu fassen,
und stark genug, mich ganz zu lassen.
Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenherz.
Es ist zwar nicht so hart und fühlt sehr leicht den Schmerz,
doch hart genug, Schläge zu überstehen
und leicht genug, Fehler zu übergehen.
Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenhaar.
Es wächst, du kannst die Jahresringe sehen.
Ich färb es ein und bleich es aus,
bind‘s fest zusammen, und ich lass es offen wehen.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Erfüllung finden
Einen herzlichen Gruß sende ich heute an alle meine Leserinnen und Leser auf der ganzen Welt, die seit einem Jahr meine Homepage besuchen und hoffentlich dabei Freude, Mitgefühl, Kunstgenuss und Erbauung verspüren und mit mir auf Gedankenreise gehen auf vergnüglichen oder nachdenklich stimmenden Wegen.
Ich bin sehr dankbar, dass ich auf diese Weise meine Gedanken und auch die Bilder befreundeter oder verwandter Künstlerinnen und Künstler mitteilen kann!
World Wide Web ist keine Floskel: die Tausenden Besucherinnen und Besucher meiner Website kommen aus vielen Ländern der Welt:
Nach Häufigkeit zähle ich auf: Germany, United States, China, Netherlands, Austria, Switzerland, France, Russia, Afghanistan, Philippines, Egypt, Denmark, Malaysia, Chile.
Also gehen herzliche Grüße und gute Wünsche in alle Welt!
Frohe Ostern und: Bitte bleiben Sie mir gewogen!
Gisela Munz-Schmidt
Hast du‘ s gesehen?
Es blühen die Zärtlichen, Zarten!
Vorbei alles Warten.
Sonne wächst aus dem Garten.
Gisela Munz-Schmidt
Narrenzug
Hoorig hoorig hoorig isch die Katz
In der schönen alten Chaise
sitzen unsere Narreneltern:
Unsere breite Narrenmutter
und der rotgenaste Vater
lassen sich um Brezeln bitten -
Bissig bissig bissig isch der Hund
Und der lange Narrenbaum,
gezogen von der Zimmergilde:
Schwarze Hosen, Silbermünzen,
fesche Hüte, breite Krempen,
lieben Bier und scharfe Schnäpse -
Borstig borschtig borschtig isch die Sau
Eine bunte Schar von Kindern:
Wilde Katzen, milde Bärlein,
Königinnen und Prinzessen,
Indianer, Mäuse, Ritter,
Zorros, Cowboys, Punks -
Buure Buure Buure fresset Würscht
Alte Wieber, Zwergensippen,
weitgereiste Wüstenscheiche,
Mäschkerle mit Tradition,
Larven, Musik, Umzugskarren,
alles läuft im Zug der Narren -
Gizig gizig gizig isch der Beck
Mit Seilen und Keilen,
ohne sich zu beeilen,
wird der Narrenbaum gestellt,
vom Polizisten laut verschellt,
und durch knallende Karbatschen
mächtig kräftig eingeschnellt.
Gisela Munz-Schmidt
Hänsele in Überlingen Foto: Dr. Werner Schmidt
Narrentreffen Viererbund in Überlingen
Häuser geschmückt mit rot-gelben Fahnen,
Narrenmutter und -vater vereint,
Menschenmassen in Reihen und Bahnen,
ein Glück, dass ein bisschen die Sonne scheint!
Leute schauen aus Zimmern und Stuben,
genießen den Logen-Überblick.
Bläser schmettern in Hörner und Tuben,
Stimmung macht die Narrenmusik.
Hänsele kommen mit ihren Karbatschen,
schnellen, und seien sie noch so klein,
mit kräftigem Schwung und Seilendeklatschen
wuchtig die neue Fasnet ein.
Vornehme Narren aus uralten Zünften
jeder mit seinem eigenen Gesicht,
dazwischen Bären, als wie in Brünften
brummend: Zuschauer, fürchtet euch nicht!
Orangen und Bonbons und Würste am Stiel,
ein Geben und Nehmen und Werfen und Fangen,
im wechselnden Narr- und Betrachterspiel.
Nur ich kann keine Brezel erlangen.
Schwere Schellen und gut betucht,
sauberes Leinen und feines Gestick,
jede Bewegung voll Anmut und Zucht,
der Narrensamen am Kälberstrick.
So viele Masken, aus Holz schön geschnitzt,
so viele Bloter- und Pinselstecken,
übermütig, vergnügt und verschmitzt
beim Kopfdraufschlagen und Mädchennecken.
Fransenkleidle und Benner Rössle
ziehen stolz und bewegt im Rund,
Hansel, Narro und Hänsele,
so prächtig präsent ist der Viererbund!
Hänsele, Schantle und Federhannes
liefen im bunten Zug durch das Tor.
Wie ein langer Strom, so rann es,
bis dann an meine Füße ich fror.
Gisela Munz-Schmidt
Überlinger Löwinnen Foto: Dr. Werner Schmidt Vergleiche dazu unter dem Thema Burgen und Sagen das Gedicht „Die Frau und der Löwe“
Masken
Masken geschnitzt.
Mienen verschmitzt,
Gefühl und Stimmung eingeritzt.
Ausdruck gewitzt.
Münder verzogen und Lippen gespitzt.
Augen offen oder geschlitzt
wie Ohren….
Gisela Munz-Schmidt
Sgraffito am Haus der Holzbildhauerei Benz in Owingen , Ausschnitt Foto: Rudolf Koch
Alte Wieber
Fastnachtsfieber - Alte Wieber
Merk ich Fastnachtswinde wehn durch alle Ritzen,
kann zu Hause ich nicht länger sitzen,
hole meine schwarze Seidenbluse mit den schönen Spitzen
und den langen schwarzen Rock mit Seitenschlitzen,
Omas Ausgehhut mit feinen Litzen
und der kühnen Feder drauf, der spitzen,
Stock und Schirm und Charme zum Flitzen,
Täschchen, Umhang, Spiegel: meine Augen blitzen,
ich fühl wallend mich vor Fasnetswonne schwitzen,
spüre fliegend wilde Fasnetshitzen,
denn es schüttelt mich das Fastnachtsfieber,
und ich reih mich selig-glücklich ein
in den Zug der alten Wieber.
Gisela Munz-Schmidt
Foto: Dr. Werner Schmidt
Aschermittwoch
Aschermittwoch
Müde, ganz erschöpft mit wehem Kopfe,
meine Füße wundgetanzt seit Tagen,
wanke fröstelnd ich durch aschermittwöchliche Gassen,
Fastnachtsfieber hat mich gestern Nacht verlassen,
ausgeglonkert
ausgejuckt
ausgeschnellt
abgestellt
so wie mein Häs.
Fasten muss ich, Katers Beute,
streng ab heute,
und ich schwör, ich esse nur noch
Kutteln,
Fisch
und sauren Käs.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Das Kochbuch aus FriedrichshafenAus: Kochbuch für Koch – und Haushaltsschulen, 1928
Jahreswende
Gib mir die Hand.
Lass uns die Stunden im Niemandsland
zwischen den Zeiten
genießen und dehnen.
Uns aneinander lehnen.
Es steigen- helle Pracht-
Kaskaden der Erinnerungen und Träume in die Nacht.
Sie blitzen auf und fallen glänzend nieder aus der Ferne,
funkelndes Feuerwerk sprühender Sterne!
Die Uhr rückt weiter,
und die Zeit nimmt ihren Lauf.
Sie reißt uns mit,
und niemand hält sie auf.
Alles wird anders,
kein Stern bleibt, wie er war.
Ich wünsch uns Glück
und Mut und Zuversicht für jedes neue Jahr!
Gisela Munz-Schmidt