Über quillt der Sommer
und seine Strahlen
malen
dir tiefe Bilder
in den Sinn.
Milder
geht nun dein Weg dahin.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Blumen am Weg, Verlag Stadler Konstanz
Entsprechungen
Es schießt eine Kraft ein
über die Berge
und jagt die Wolken über den Horizont
wie zitternde Schafe.
Belle ich mit
oder werd ich getrieben?
Etwas brüllt laut in mir auf,
während ein anderes flieht.
Gisela Munz-Schmidt
Fernweh
Mit den Wolkenschwestern ziehen können,
wilde Nomadinnen der Luft.
Den Wechsel uns anverwandeln.
Statt gehen, tun und ruhen
schweben und wirken und handeln.
Gisela Munz- Schmidt
Stille
Ich lege mich mit dem Wind
schlafen,
in ein Schiff.
Es ist ganz leer.
Ruhig im Hafen.
Uns,
die wir erst uns trafen,
gibt es nun beide nicht mehr.
Gisela Munz-Schmidt
Konstanz und der Seerhein
Aquarell von Sibylle Buderath Rheinbrücke Konstanz
Zu den Fakten:
Der Alpenrhein mündet am Rheinbrech in den Bodensee, sinkt in die Tiefe und durchfließt den Bodensee ungefähr 48 km lang bis zu seinem Austritt bei Konstanz; ab da wird er Seerhein genannt.
Ein Faszinosum!
Die Lyrik lebt von Bildern, Metaphern, Symbolen…Also:
See und Rhein
Und es zieht dieser Rhein in diesen See
so wie ein Liebender in eine Seele.
Er geht hinein,
und da ist weder Wand noch Wehre,
er gibt sich ganz
und bleibt mit weichen Wasserrändern
er selbst,
als wüsste er so jung
um seinen langen Weg.
Der Rhein, der See, sie teilen
für eine Zeit ihr Sein.
Verbunden und allein
durchfließt den See der Rhein
und lässt ihn dann zurück:
Zum Strom geworden,
den es weiter drängt,
der seinen Austritt will
und sich durch Hindernisse zwängt,
der sammelt und bewundert wird,
und doch verwundet sucht im Meer,
was er verloren.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Verlag Stadler Konstanz
Aquarell von Sibylle Buderath Das Rheintor in Konstanz
Konstanz am Rheintor
Ganz ist die Stadt und ist eine Brücke.
Die Stücke
fügen sich, nur ein paar Schritte
herüber, hinüber an See und an Rhein,
so nimmt sie dich ein
und in ihre Mitte.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Wege zum See
Verlag Stadler Konstanz
Constance
A city of vision,
a bridge of transition
combining novelty and tradition
offering spaces
granting places
showing graces
and horizons narrow and wide.
The Lake and the Rhine
flowing at its side.
Gisela Munz-Schmidt
From: My Way along Lake Constance
Verlag Stadler Konstanz
Konstanzer Sagen
Ein schreckliches und schauriges SAGENGEDICHT über Konstanz:
In Konstanz ist gut stehlen
Ein Irrtum, ein Justizirrtum gar,
fand in Konstanz statt, genau im Jahr
1450 zur Winterszeit.
Es hatte viel und mächtig geschneit,
und ein Krämer aus dem welschen Land,
der den Weg von Meersburg nach Konstanz fand,
wurde bei Staad, wo sich‘s zugetragen,
von einem Landstreicher brutal erschlagen -
aus Habgier, mit Absicht und böser Tücke,
aus dem Hinterhalt unter einer Brücke.
Damit der Mord nicht würde entdeckt,
hat der Mörder den Leichnam sorgsam versteckt,
zog dann seine Schuhe umgekehrt an
und ging auf ein Haus zu, in dem ein Mann,
ein Witwer, mit seinen Söhnen lebte.
Eine Falschspur zu legen der Täter erstrebte.
Darauf schlug sich der Mörder mit seinem Raub
in die Büsche und machte sich aus dem Staub.
Am nächsten Tag erschallte die Kunde
von dem Erschlagenen, zur gleichen Stunde
erhob Anklage der Konstanzer Rat
gegen Vater und Söhne wegen Mordestat,
denn zu ihnen führte eindeutig die Spur,
sie wurden gefangen, trotz Unschuldsschwur.
Und da die Drei den Mord nicht gestanden,
die Knechte sie auf die Folter banden,
und nach schmerzlichsten Qualen, unsäglich langen,
schrien die Söhne, sie hätten die Tat begangen.
Der Scharfrichter ließ sie rädern, jedoch
ihr Vater lebte immer noch
im Gefängnis mit seinen Folterwunden -
trotz seiner Unschuld verletzt und geschunden.
So verging eine Zeit, bis ein Bote kam
aus Verona mit Briefen, die ein Richter nahm,
darin war die grausame Wahrheit zu lesen:
Ein Anderer war der Mörder gewesen,
der habe vor seiner Erhängung bekannt,
die Stadt und die Stelle genau benannt,
wie er damals kalt und ungerührt,
andere in Verderben und Irrtum geführt.
Da gingen Schrecken und Reue um,
der Rat bat den armen Vater darum
um Verzeihung und bot dem alten Mann
als Schmerzensgeld zehntausend Gulden an,
doch der Alte wollte das Geld nicht haben
und zog bettelnd durch Konstanz um milde Gaben.
Die reuigen Richter ordneten an,
dass fürderhin ein jeder Mann,
der den Tod durch das Rad verdienet hätte,
nur den Strang erhalten täte.
Und jeder, der am Galgen sollt hangen,
den Tod durch das Schwert nur sollte erlangen,
und jeder, der durch´s Schwert sollte gehen,
bräuchte nun bloß am Pranger stehen.
Daher war bei den Gaunern und Dieben
das folgende Wort noch lange geblieben:
„In Konstanz ist gut hehlen
und stehlen,
denn weil den Rat Gewissensbisse drängen,
braucht in Konstanz ein Dieb nicht hängen!“
Gisela Munz-Schmidt
Nach Bernhard Möking,
Sagen und Schwänke vom Bodensee,
Konstanz, 1981
Ein weiteres SAGENGEDICHT, in dem der Rat Vorbildliches geleistet hat:
Die Sage von Wendelgard von Halten
Wendelgard von Halten Die Haltnau-Sage erzählt uns genau die Geschichte einer besonderen Frau. Schlechtes und Gutes, Fluch und Segen tat das Schicksal ihr in die Wiege legen. Doch was es ihr auch hat gebracht, sie hat das Beste daraus gemacht. Erbin war sie von großem Besitz direkt am See - und Mutterwitz und ein klarer Verstand, eine liebe Art, eine offene Hand, das alles sprach man gern ihr zu. Aber anderes ließ ihr keine Ruh: Sie trug einen Höcker auf dem Rücken, konnte schlecht gehen und kaum sich bücken, war überdies auch im Gesicht wahrhaftig eine Schönheit nicht. Sie hatte ein Schnäuzlein wie das eines Schweines, ein Rüsselchen eben, wenn auch ein kleines. Je älter sie wurde, je mehr offenbar warn die Mängel, und sie ihrer gewahr. Es ließ auch das Höhnen und Spotten nicht nach. So seufzte sie häufig:“O weh und o ach!“ und weinte in ihr Schüsselchen: „Keiner gibt mir ein Küsselchen!“ Oft hat sie darüber nachgedacht, die Tränen getrocknet: „Es wär doch gelacht, wenn alles, selbst wenn ich mich schäme, nicht doch ein glückliches Ende nähme! Schließlich hinterlasse ich, wenn ich sterbe, ein beachtlich großes Erbe!“ Also schritt sie energisch zur Tat und ließ kommen den Meersburger Rat, dem sie die Sache zur Sprache brachte und ausgeklügelt den Vorschlag machte: Bis an ihr seliges Ende sollte einer der Räte, so wie sie es wollte, jeden Sonntag, nach dem Morgenkuchen, zur Gesellschaft sie besuchen, sie würden ausfahren und dinieren, ubd danach noch gut soupieren, und zum Abschied gäb‘s als Dank ein Küsselchen auf das Wendelgardsche Rüsselchen. So hätte sie wenigstens wöchentlich eben eine schöne Freude und etwas vom Leben. Und wenn ihr Gott dann die Lider schließe erbe Meersburg alles, Weinberg und Wiese. Aber der Rat tat sich gerieren, die Räte sich genieren und zieren, und sie gaben hochnäsig abschlägig Bescheid und sagten nicht einmal: „Es tut uns leid.“ Jungfer Wendelgard ließ sich‘s nicht verdrießen und kam zu folgendem Beschließen: Wenn der Nachbar gar nicht will zur Linken, werde ich über den Bodensee winken, vielleicht geht Konstanz den Handel ein und will der Haltnau Besitzer sein? Sie trug ihr Erbe Konstanz an, und die Räte, Mann um Mann, kamen , ohne zu murren oder zu fluchen, tapfer zum sonntäglichen Besuchen. Sie standen pflichtschuldig durch das Programm, und als dieses jeweils zu Ende kam, gab‘s noch zum Schluss auf‘s Rüsselchen ein beherztes Küsselchen. So ging es Woche um Woche, Jahr um Jahr, und als Wendelgard betagt gestorben war, fielen Wiese und Weinberg und Ross und Kuh, fiel alles den wackeren Konstanzern zu. Konstanz hat Mitleid und Weitblick bewiesen, und wir können die Haltnau noch heute genießen. Gisela Munz-Schmidt Quellen: Gedenktafel am Weingut Haltnau und Theodor Lachmann, Sagen und Bräuche am Überlinger See, Weißenhorn, 1972
Imperia
Imperia
Auf Kreta bändigt die Göttin Schlangen,
in Konstanz die Kurtisane Kaiser und Papst.
Lass uns das herunterbrechen:
Alle: Anspruch und Wirklichkeit.
Eltern: Kinder und Alltag.
Ich: Phantasie und Alterung.
Und du?
Hauptsache: Alles im Griff.
Gisela Munz-Schmidt
Die folgenden Fotos zeigen Aquarelle von Sibylle Buderath mit meinen Gedichten. Irgendwann habe ich dieses kleine Heft zusammengestellt und jetzt wiedergefunden. Die Aquarelle zeigen in Wirklichkeit zartere feinere Farben. Trotzdem glaube ich , dass der Charme sich mitteilt.
1997 erschien unser gemeinsames Rosenbuch. Es wurde großartig im Schloss Salem getauft. Leider ist es inzwischen vergriffen, im Onlinehandel oder antiquarisch aber noch manchmal erhältlich. Ich habe ja schon erzählt, wie wir, Sibylle und ich, auf der Insel Mainau Inspirationen und herrliche Anschauungsschönheiten suchten und fanden, in allen Stadien ihres Blumenlebens.
Auf Seite 20 steht im Rosenbuch ein Gedicht, das heute eine besondere Bedeutung gewinnt. Es basiert auf wirklichen Gesprächen mit einer Kollegin und einem Kollegen des Gymnasiums Sandhausen, mit denen ich befreundet war.
.
Frieden
Als vor Jahren
ein guter Freund den Garten neu anlegte
und mich fragte,
welche Blume er denn solle pflanzen,
und schwer mir war die Wahl,
da fiel mir ein,
dass einmal eine Frau erzählte,
wie sie des Nachts
bei klarem Himmel
unzählige Sterne sah
auf einem Hügel liegend
und unter ihr die Stadt der Städte,
die in sich
birgt und trägt und hält
die Heiligtümer unserer Welt,
da wusst ich:
Eine Rose.
Sie heißt Shalom,
ist rot und schön,
und hat den Namen,
der uns Menschen
fehlt.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Auch Zuneigung drückt die Rose aus:
Botschaft
Die Rose offenbart,
was ich dir sagen will.
Was ich mit Worten hilflos such,
spricht sie vollendet aus
und still.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Überhaupt bewirken die Rosen Gefühle:
Rosen bauen Brücken,
trocknen Tränen,
bitten um Verzeihung,
sie lächeln
und lachen
für dich.
Natürlich können sie auch
überraschen,
schmeicheln,
erweichen,
verführen,
bezaubern,
rühren…
Erdenstoff
Wie Erdenstoff vergeht.
Wie Blätter, gestern rot, sich heute dunkel färben.
Wie weh das tut.
Das Zusehn und das Welken und das Sterben.
Aus Eisen wird Rost.
Das Aus steht ein.
Aus Ja wird Nein.
Kein Trost.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Blumen am Weg
Verlag Stadler, Konstanz
Vom Vergehen
Alles zerfällt.
Ins Grab
geht alles Leben
hinab.
Ein Fels wird zu Stein,
ein Stein zu Sand,
gefallen, geworfen, gespült
bis zum Strand
als kleines letztes Korn
allein.
Gestalt und Größe und Zusammenhalt verlorn.
Die Zeit hat Gewalt.
Kein Halt.
Ein Blatt wird zu Laub,
Warm wird zu Kalt,
ein Du, ein Ich zu Staub.
Gisela Munz-Schmidt
Ein bitterer Frost,
ein einziger Wintertag zur Unzeit,
und wie grausam wird da alle Hoffnung zerschnitten
im kalten tödlichen Wind.
Gisela Munz-Schmidt
Der Falke und das Marmorbild
Sie war aus Marmor
und war fein und zart und hielt die Hand aus,
und da stieß er nieder,
aus Rot und Gold ein stiebendes Gefieder
und saß
vollendet wie ein freier fester Traum.
So war es immer wieder.
Er flog die Kreise
am Tag im wilden Raum
nach Falkenvogelweise
und kam in selber Art auf ihre Hand zurück
und schüttelte den Regen aus den Federn,
den Staub, das Laub, den Abendtau.
Man sagt, des Nachts,
ich weiß es nicht genau,
wurd aus dem Falk ein Mann
und aus dem stolzen Marmorbilde schälte sich
die warme Frau.
Ihr Name oder seiner
war Glück.
Mehr weiß ich nicht,
es ist schon lange her.
Ich weiß gewiss nicht mehr.
Gisela Munz-Schmidt
Sonnengoldene Narzissen, wie sie es wissen, wann die rechte Zeit ist, denn alles im Leben hat seine Zeit, sagt der Prediger Salomo, und jede Narzisse weiß es auch. Und ich muss es Tag für Tag lernen. Gisela Munz-Schmidt
Es blühen die Zärtlichen, Zarten.
Vorbei alles Warten.
Sonne wächst aus dem Garten.
Gisela Munz-SCHMIDT
„Denn das Kleine entzückt vor dem Großen,
und das Blau ist ewiger als das Rot.“
Gisela Munz-Schmidt
Violett Ich mische kühles Blau und warmes Rot, und es entsteht auf der Palette das Violette. Die Farbe früher Veilchen, des ersten Frühlings Lieder. Die lila Aster spät im Jahr. Und auch, wie wunderbar, der Duft von frischem Flieder. Gisela Munz-Schmidt Das Veilchen Warum lieb ich dich so? Das Kleine? Das Feine? Das Reine? Das Meine? Weil ich mich bücken muss, um das Entzücken zu erleben. Weil ich den Duft liebe und die vielen Gedichte, die sich mit dem Veilchen befassen. Doch pflücken soll ich es nicht. Ich will es für andere stehen lassen. Gisela Munz-Schmidt
Osterglocken …wiegen sich im Wind in der Wiese und im Park wild und kultiviert… Gisela Munz-Schmidt Wie bekannt ist, heißen Osterglocken Narzissen, nach Narziss, einem griechischen Adonis. Ein Beau. Narziss An eines Sees oder Flusses Gestaden zog er sich aus. Er wollte baden. Im Wasser sah er sein Spiegelbild verheißungsvoll lächeln, betörend mild, hinreißend wild, mit gleichem maßlosen Begehren. „Du bist so schön, ich liebe dich.“ Und da versank er in sich. Er ertrank. Gisela Munz-Schmidt Am Ufer erblühten dann die ersten Narzissen. Den Frühling finden Die Sonne, die Wärme, die Osterglocken wollen ins Freie und Weite dich locken. In Gärten, zwischen Polstern und Blütenkissen, wiegen sich die Prachtnarzissen. Oder sieh doch! Diese stehen heiter in der Wiese mit leuchtendem Gelb und frischem Grün, schau nur, wie sie üppig blühen! Schnür deine Schuh und mach dich bereit: Jetzt kommt die unbeschwerte Zeit! Gisela Munz-Schmidt
Gänseblümchen Erinnere dich: Die Welt war weiß voll Schnee. Aber alles weggeschmolzen, fortgeweht und hingetaut, und nun sehen wir, entzückend und vertraut, diese süßen kleinen Gänseblümchen auf der grünen Wiese. Gisela Munz-Schmidt Purpurne Blüten in unserem Garten: Das ist Naturlyrik pur!
Fotos: Gisela Munz-Schmidt
Narrenzug Hoorig hoorig hoorig isch die Katz In der schönen alten Chaise sitzen unsere Narreneltern: Unsere breite Narrenmutter und der rotgenaste Vater lassen sich um Brezeln bitten - Bissig bissig bissig isch der Hund Und der lange Narrenbaum, gezogen von der Zimmergilde: Schwarze Hosen, Silbermünzen, fesche Hüte, breite Krempen, lieben Bier und scharfe Schnäpse - Borstig borschtig borschtig isch die Sau Eine bunte Schar von Kindern: Wilde Katzen, milde Bärlein, Königinnen und Prinzessen, Indianer, Mäuse, Ritter, Zorros, Cowboys, Punks - Buure Buure Buure fresset Würscht Alte Wieber, Zwergensippen, weitgereiste Wüstenscheiche, Mäschkerle mit Tradition, Larven, Musik, Umzugskarren, alles läuft im Zug der Narren - Gizig gizig gizig isch der Beck Mit Seilen und Keilen, ohne sich zu beeilen, wird der Narrenbaum gestellt, vom Polizisten laut verschellt, und durch knallende Karbatschen mächtig kräftig eingeschnellt. Gisela Munz-Schmidt
Narrentreffen Viererbund in Überlingen
Häuser geschmückt mit rot-gelben Fahnen, Narrenmutter und -vater vereint, Menschenmassen in Reihen und Bahnen, ein Glück, dass ein bisschen die Sonne scheint! Leute schauen aus Zimmern und Stuben, genießen den Logen-Überblick. Bläser schmettern in Hörner und Tuben, Stimmung macht die Narrenmusik. Hänsele kommen mit ihren Karbatschen, schnellen, und seien sie noch so klein, mit kräftigem Schwung und Seilendeklatschen wuchtig die neue Fasnet ein. Vornehme Narren aus uralten Zünften jeder mit seinem eigenen Gesicht, dazwischen Bären, als wie in Brünften brummend: Zuschauer, fürchtet euch nicht! Orangen und Bonbons und Würste am Stiel, ein Geben und Nehmen und Werfen und Fangen, im wechselnden Narr- und Betrachterspiel. Nur ich kann keine Brezel erlangen. Schwere Schellen und gut betucht, sauberes Leinen und feines Gestick, jede Bewegung voll Anmut und Zucht, der Narrensamen am Kälberstrick. So viele Masken, aus Holz schön geschnitzt, so viele Bloter- und Pinselstecken, übermütig, vergnügt und verschmitzt beim Kopfdraufschlagen und Mädchennecken. Fransenkleidle und Benner Rössle ziehen stolz und bewegt im Rund, Hansel, Narro und Hänsele, so prächtig präsent ist der Viererbund! Hänsele, Schantle und Federhannes liefen im bunten Zug durch das Tor. Wie ein langer Strom, so rann es, bis dann an meine Füße ich fror. Gisela Munz-Schmidt
Masken
Masken geschnitzt. Mienen verschmitzt, Gefühl und Stimmung eingeritzt. Ausdruck gewitzt. Münder verzogen und Lippen gespitzt. Augen offen oder geschlitzt wie Ohren…. Gisela Munz-Schmidt
Alte Wieber
Fastnachtsfieber - Alte Wieber Merk ich Fastnachtswinde wehn durch alle Ritzen, kann zu Hause ich nicht länger sitzen, hole meine schwarze Seidenbluse mit den schönen Spitzen und den langen schwarzen Rock mit Seitenschlitzen, Omas Ausgehhut mit feinen Litzen und der kühnen Feder drauf, der spitzen, Stock und Schirm und Charme zum Flitzen, Täschchen, Umhang, Spiegel: meine Augen blitzen, ich fühl wallend mich vor Fasnetswonne schwitzen, spüre fliegend wilde Fasnetshitzen, denn es schüttelt mich das Fastnachtsfieber, und ich reih mich selig-glücklich ein in den Zug der alten Wieber. Gisela Munz-Schmidt
Aschermittwoch
Aschermittwoch Müde, ganz erschöpft mit wehem Kopfe, meine Füße wundgetanzt seit Tagen, wanke fröstelnd ich durch aschermittwöchliche Gassen, Fastnachtsfieber hat mich gestern Nacht verlassen, ausgeglonkert ausgejuckt ausgeschnellt abgestellt so wie mein Häs. Fasten muss ich, Katers Beute, streng ab heute, und ich schwör, ich esse nur noch Kutteln, Fisch und sauren Käs. Gisela Munz-Schmidt
Summer Summer sets sail, sun and sunshine prevail. Harbour good-bye, gold ‘s in the sky. Breezes blow well, spinnakers swell - every wind‘s friend am I. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
Föhnstimmung In der Silberschmiede des Windes schmilzt der See und glänzt sich aus. Da glänze ich wortlos mich ein. Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See
Foehn Mood This is what happens many a day. At a sudden it's warm in a very strange way. The air is clear. The mountains seem near. The lake shines like a melting pot. Glittering shivering burning hot. A prince and a princess. An access. An excess. From long ago and recently told. Love is madness. A fancy. A frenzy. Water is silver and gold. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
Wasser Mach mich doch nass - es sprinkelt und glitzert und spritzt, es perlt und trieft und tröpfelt, es wellt und quillt und patscht, es gluckst und glänzt und blubbert, es schlabbert und schlubbert, es quirlt und strudelt, es sprudelt - Wasser macht Spaß! Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See
Water It sprinkles and splishes and sploshes and splashes. It rushes and dashes. It hurts and it cools. It is fear and it‘ s fun. It fools with the wind and it smiles with the sun. Gisela Munz- Schmidt From: My Way along Lake Constance
Ein Kinderleben Ein Kinderleben, ein Kinderland, braucht Sonne und Hände, Wasser und Sand. Hinter dem Deich und hinter dem Damm hört die Welt auf, fängt die Welt an. Hinter der Düne und hinter dem Deich ist alles anders, sind alle gleich. Bei Ebbe und Flut ebbt alles ab, wird alles durchflutet, und alles ist gut. Gisela Munz-Schmidt
The Water in the Lake Water of constant flow. Water from ice and from snow, from running falls of the mountains, water of rivers and fountains, water from streams and from brooks and from wells, of rain, that fell drop by drop, water that seeps and that swells. Vapour and condensation. Abundance and concentration. Eternal circle without any stop. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
Mein Fluss. Der Neckar Wie jeder seine Bahn, wie jeder seinen Weg, so hat auch jeder seinen Fluss. Mein Fluss ist schmal und breit, fließt zügig und hat Wehre. Mein Fluss hat Arme alt und neu, fließt dicht und dunkel aus der Kinderzeit und hell und klärend durch die Zeit der Lehre. Er mündet schwer beladen. Wenn ich ihn heute suche, sehe ich, wie sich die Bahnen und die Wege ändern. Und finde doch den alten Schimmer und die alten Stege an seinen goldenen grünen Rändern. Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser Es ist Stauung und Fluss. Entzücken. Verdrießen. Ist Stocken und Gießen. Ist Starren und Schießen. Ist Woge und Wiege und Welle. Ist Quelle, Sog, Wirbel und Schnelle. Ist Schnee auf dem Dach und ist Eis unterm Fuß. Ist Qual und ist Not und ist Strafe und Muss. Ist Kuss auf den Lippen, Glanz, Gunst und Genuss. Es ist Anfang und Mitte und Schluss. Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser Die alte Hydra mit den vielen Köpfen und mit keinem taucht wieder auf. Du schlägst. Das Wasser weicht. Du krallst. Und hast doch leere Hände. Du dämmst es ein. Es dringt durch alle Wände. Du kannst‘s nicht zwingen, und du kannst es nicht zerbrechen. Wenn du es säuerst, wird sich´s ätzend rächen und hilft dir doch, wenn deine Kraft nicht reicht. Gisela Munz-Schmidt
Das Wasser ist wie wir Das Wasser ist wie wir. In einer weichen Wolke Schoß wird langsam reif es und bereit und wartet eine angemessene Zeit, dann löst‘s sich los. Das Wasser ist wie wir. Als kleiner Tropfen schlägt‘s ungewappnet auf. Es trifft auf eine vorbestimmte Stelle in einen Kreis und wird zur Welle und unentrinnbar rinnend beginnt es seinen Lauf. Das Wasser ist wie wir. Es will gesellig sein, bringt sich bewegt bewegend in das Leben ein, treibt um und an, wirkt hin und her im großen Strom und mündet und geht auf im Meer. Das Wasser ist wie wir. Den Kreislauf zu vollenden sucht es von Wärme angezogen den hohen Himmelsbogen. Und Enden wird zu Wenden. Das Wasser ist wie wir... Gisela Munz-Schmidt
Im Wasser Ich liege treibend auf dem Wasser, und es wachsen mir Gedanken aus dem Kopf und Worte so wie Haare. Ich suche tastend zu ergründen, ob das, was wehend aus mir wächst, ein Teil ist auch von mir, oder ob ich, so treibend, ein Wesen schon geworden bin der andern Welt, die ich nicht kenne, ich mir selber fremd. Ich fühle jede einzelne Wurzel aus mir wachsen und geh mit jeder Faser auf in meinem Element und bin mit meiner Haut und meinen Haaren vom Wasser völlig ungetrennt wie Wasserpflanzen. Ein abgegrenzter Teil. Und doch ein Teil vom Ganzen. Gisela Munz-Schmidt
Mein Element Das wilde Wasser ist mein Element, wenn’s hoch in tausend Tropfen schlägt, weil es mich nimmt und es mich kennt, weil es mich hält und weil‘s mich trägt. Das milde Wasser ist mein Element, wenn‘s weich mir um die Füße spielt, wenn‘s zärtlich an die Brust mir zielt und weil‘s, was brennt, mir kühlt. Gisela Munz-Schmidt Aus: Wege zum See
Two Faces of Water Water is mild like bathing a child, tender and soothing and smoothing. Strong and seductive, hard and destructive water is wild. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
Dieses Meer Dieses Meer ist mir zu groß, wirft mich um, treibt mich aus blauer Lippen, jagt mir kalte Schauer über und über - diese harten Steine brennen in meine Füße ihre spitzen alten unmissverständlichen Zeichen: Ich bin, spricht die Erde, stärker als du, kleiner Mensch, und das sagt sie ohne Hohn, einfach so, übermächtig. Gisela Munz-Schmidt
Farewell Schwimm, Liebes, schwimm, ich halte dich nicht mehr. Du gehst hinunter und du suchst das Meer, ich werde bleiben. Schwimm, Liebes, schwimm. Die Wege trennen sich. Zwei Schiffe, die sich grüßen. Zwei Schiffe ohne Wiedersehen, die zu verschiedenen Häfen gehn, die unter anderen Farben stehn und andere Segel hissen. Zwei Menschen, die die Winde und die Zeit aus ihren Armen rissen. Die auseineinandertreiben. Und wie du bist und wie du warst werd ich mit wunden Fingern in die Haut von anderen Lieben schreiben. Ich werde dich vermissen. Gisela Munz-Schmidt
Die eine Perle
Die eine Perle
leg ich dir in deine Hand.
Ein Stück vom Meer,
ein Stück vom Land,
ein Körnchen Sand
inmitten einer großen Welt Getriebe.
Ein weicher Glanz
von Schüben, Schichten, Schalen und Erinnerungen
ganz umhüllt.
Beredt und doch verschwiegen.
Ich sah sie liegen
und ich hob sie auf.
Das Zeichen und den Zauber
der Liebe.
Gisela Munz-schmidt
Kreislauf
Blüte, Frucht,
Anfang und Ende,
Wachstum, Reifung,
Wandel, Wende,
das Vergehende,
das Entstehende –
ja, ich lerne und ich weiß:
wie die Rosen leben wir im Kreis.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Zauber
Eine Zauberin ist sie,
die Rose,
wie die Harmonie,
wie die Poesie,
wie die rote Magie –
weil sie um den Kreis
weiß.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Mitglied einer Kette
Ein Fädchen im Netz
Anteil am Ganzen
Menschen, Tiere, Pilze, Pflanzen.
Gisela Munz-Schmidt
Verbundenheit
Nein, ich bin nicht allein.
Bei mir ist dieses andere Sein,
in dem ich mit erblasse, mit erglühe.
Ich lebe, und ich lass mich ein.
Mir ist, als ob ich manchmal welke,
doch immer wieder auch, als ob ich neu erblühe.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Rosen am Weg
Das Zarte wahrnehmen,
es zärtlich berühren.
Die Fülle fühlen
und damit weitergehen.
Die Rosen, die am Wege stehen,
sind Pforten und offene Türen.
Gisela Munz-Schmidt
Aus: Rosen am Weg
Mainau Bäume, mächtig, alt und stark, Blumen, prächtig im weiten Park, Beete von Blüten, von blauen und roten, Exoten wie Boten, barocke Räume, Tulpen, Dahlien, Rosenträume, Brunnen, die sich am Wege ergießen, bunte Pflanzen an Hängen, in Wiesen, Gewächse, welche gedeihen und sprießen, Farben, die ineinanderfließen: Kommen. Bleiben. Genießen. Gisela Munz- Schmidt Aus: Wege zum See
The Island of Mainau An island that holds very special treasures, full of blooms and of butterflies, full of wonders and pleasures. The tulips in spring, in summer the roses, beautiful dahlias late in fall. The charms of nature this island exposes. Full of trees and fine flowers, and I do love them all. Gisela Munz-Schmidt From: My Way along Lake Constance
An die Insel Mainau habe ich viele persönliche Erinnerungen – an Besuche allein, mit Familie oder mit Freundinnen und Freunden.
In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder ein, wie sich Sibylle Buderath und ich auf unser Buch „Rosen am Weg“ vorbereiteten. Sibylle wollte ihre Rosenaquarelle „en plein air“ malen, wurde aber immer wieder von neugierigen Menschen gestört, die ihr über die Schulter blicken wollten. So zogen wir zu zweit los, sie verschwand hinter die Rosenbüsche mit ihrer Staffelei, fand Motive zum Malen, und ich stand vorne als Wächterin am Weg und ließ mich durch Beobachtungen und Einsaugen der rosealen Atmosphäre inspirieren, konnte so die Leute ablenken, und wenn Sibylle fertig war, gingen wir zusammen ins Café und schauten und besprachen, welche Bilder und welche Texte zusammenpassen könnten.
Hier drei Beispiele aus unserem Lyrikbildband ROSEN AM WEG:
Auf der Insel Mainau wird nicht nur der Schönheit und Vielfalt der Pflanzen gehuldigt, sondern durch naturnahe Areale und informative Anlagen wird auch das ökologische Bewusstsein geschärft.
Besonders der Insektenschutz verdient Beachtung! Im Schmetterlingshaus und in Insektenhotels versammeln sich zahlreiche Vertreter der Insektenfamilien.
Für den NABU Überlingen habe ich 2018 eine Art Pamphlet verfasst,
nachdem ich auf den Hortus Insectorum und das Netzwerk von Markus Gastl aufmerksam gemacht wurde.
Weil die Mainau sich auch dem Insektenschutz verschrieben hat, stelle ich es hier ein, ohne Anspruch auf literarische Qualität!
Die Inhalte der Paarreime sind allerdings unbestritten.
Das Insekt Vor 400 Millionen Jahren, so wurde entdeckt, lebte bereits das erste Insekt. Und jetzt müssen wir leider, ohne Fragen, seinen gewaltigen Rückgang beklagen. Früher klebte es an Fensterscheiben, da brauchen wir es längst nicht mehr abzureiben. Möglicherweise haben wir es unter Asphalt begraben? Oder es hat einfach zu viel Glyphosat, Phosphat, Nitrat geschluckt und das Zeug einfach nicht ausgespuckt? Mit Blümchen und Bienchen ist es auch nicht weit her, Monokulturen sind artenleer. Auch die Gärten mit Schotter, Granit und Kies sind für das Insekt kein Paradies. Selbst der fliegende Luftverkehr macht dem Insekt das Leben schwer. Zwischen Hochhäusern findet sich auch nicht schnell ein angemessenes Insektenhotel. Nicht mal auf dem Balkon den Zwetschgenkuchen will so ein Insekt noch einmal versuchen. Kein Tier tanzt dir, summ summ, brumm brumm, auf deiner Menschennase herum. Die Leute müssen sich nun wohl bequemen, Bestäubung mit Pinseln selbst vorzunehmen. Und die Insektenfresser, fast hätt ich´ s vergessen, müssen nun halt jetzt was anderes fressen. Das Insekt, verachtet und verhasst, hat sich eben nicht angepasst! Ach Gott, was wird meine Liste lang, allmählich wird mir um das Insekt doch bang. Es dämmert mir langsam, und mir wird klar, das Insekt ist in großer Lebensgefahr. Und also zitiere ich Einstein hier: Erst stirbt das Insekt. Dann sterben wir. Gisela Munz-Schmidt
Das Geheimnis Es gibt ein Geheimnis, das musst du mir lassen. Sein Kern ist jenseits von Lieben und Hassen, ist fern von Streicheln oder Streiten, weit ist sein Kern von Stunden oder Zeiten, ist losgelöst von Gut und Böse, Ja und Nein, ist abgewandt von Grob und Fein und überschreitet Groß und Klein, lebt nicht in Hirn, Herz, Ader oder Bein; ist weder Glück noch Grausamkeit, noch Trauer; ist wie ein Wind, ein Hauch, der geht und weht durch jede Mauer. Sein Kern ist wesenhaft und rein; ist spürbar, und doch nie zu fassen. Dieses Geheimnis musst du mir lassen. Gisela Munz-Schmidt Aus: Erfüllung finden
Die Frau Ich fühl mich wohl in meiner Frauenhaut. Ich bin zwar nicht so groß und stark gebaut, doch groß genug, mich ganz zu fassen, und stark genug, mich ganz zu lassen. Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenherz. Es ist zwar nicht so hart und fühlt sehr leicht den Schmerz, doch hart genug, Schläge zu überstehen und leicht genug, Fehler zu übergehen. Ich fühl mich wohl mit meinem Frauenhaar. Es wächst, du kannst die Jahresringe sehen. Ich färb es ein und bleich es aus, bind‘s fest zusammen, und ich lass es offen wehen. Gisela Munz-Schmidt Aus: Erfüllung finden